Nach einem Bericht des ZDF-Magazins „Frontal 21“ vom 06. Juni 2006 und Recherchen einer Berliner Initiative gegen Antisemitismus kursiert unter türkischen Islamisten der „Milli Görüs“-Bewegung in Deutschland ein antisemitisches Hetzvideo mit dem Titel „Zehras blaue Augen“, in dem dargestellt wird, wie Juden aus rassistischen Motiven palästinensische Kinder als menschliche Ersatzteillager missbrauchen und umbringen. Die mehrteilige, aus Iran stammende Fernsehserie wurde im Sommer 2005 und Frühjahr 2006 von dem „Milli Görüs“ nahe stehenden Satellitensender „TV 5“ auch in Deutschland ausgestrahlt. Dass in IGMG-Kreisen mit antisemitischen Filmen die Abneigung gegen Juden bereits im Kindesalter angefacht wird, zeigt ein Beispiel aus Hamburg.
Im Dezember 2004 präsentierte zuerst der iranische TV-Kanal „Sahar 1“ die siebenteilige Filmserie „Zehras blaue Augen“, in der ein fiktiver israelischer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten namens Yitzhak COHEN palästinensische Kinder entführen lässt, um ihnen Organe entnehmen zu lassen. Die Augen des Mädchens Zehra sind für dessen blinden Sohn bestimmt. Der Film zeigt, wie die Augen herausoperiert werden und der Großvater des Mädchens, beim Versuch sie zu retten, ermordet wird. Auch Zehra soll nach dem Eingriff umgebracht werden. In der letzten Folge der Serie begründet der jüdische Politiker sein Projekt u.a. mit den Worten:
„Wir [Juden] sind die beste menschliche Rasse auf der Welt. Unser Land soll vom Euphrat bis zum Nil reichen und uns gehört alles, was darauf ist. ... Wir nehmen zurück, was uns Juden gehört. Die einzigen, die vom Geschenk, das Gott in das jüdische Blut gepflanzt hat, profitieren sollen, sind wir, wir alleine. Wir werden dieses Geschenk mit niemandem teilen. Die Augen und Herzen der palästinensischen Araber, auch der christlichen, sind wie die Blütenpracht unserer Obstgärten. Wir werden die Früchte unserer Obstgärten genießen, wie es uns gefällt. ...“
Vor dem Hintergrund dieser Darstellung glorifiziert der Film anschließend das Selbstmordattentat von Zehras Bruder, der mit einem mit Sprengstoff präparierten Auto in das Wohnhaus COHENs fährt und dieses in die Luft sprengt.
In türkischer Übersetzung und mit englischen Untertiteln wurde die Filmserie unter dem Titel „Filistinli Zehranin Gözleri“ („Die Augen der Palästinenserin Zehra“) im Sommer 2005 und Frühjahr 2006 vom türkischen Satellitensender „TV 5“ zur besten Sendezeit ausgestrahlt. „TV 5“ ist, wie auch die Tageszeitung „Milli Gazete“, der türkisch-islamistischen „Milli Görüs“-Bewegung von Necmettin ERBAKAN und dessen „Saadet Partisi“ (SP, „Glückseligkeitspartei“) zuzurechnen. In Europa wird „Milli Görüs“ von der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) vertreten (s. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2005, S. 53 ff.). Von dem Film wurde außerdem eine VideoCD (VCD) hergestellt, die nach Angaben von „Frontal 21“ unter türkischen Islamisten in Europa bereits weite Verbreitung gefunden haben soll. Auf dem „Tag der Brüderlichkeit und Solidarität“ der IGMG, der am 04.06.06 im belgischen Hasselt stattfand und an dem ca. 25.000 bis 30.000 „Milli Görüs“-Anhänger aus ganz Europa teilnahmen, lag die VCD auf einem Büchertisch offen zum Verkauf aus.
Die IGMG reagiert ambivalent auf den Antisemitismus in den eigenen Reihen
Mit solchen extremistischen und zum Teil Gewalt verherrlichenden Inhalten in „Milli Görüs“ nahe stehenden Medien konfrontiert, wird von hochrangigen IGMG-Funktionären angeführt, dass die IGMG angeblich von Deutschland aus weder auf die Programmgestaltung von „TV 5“ noch auf die Berichterstattung der „Milli Gazete“ einen entscheidenden Einfluss habe, sich von Gewalt und Terror jedoch distanziere. Entsprechend reagierte auch der Generalsekretär der IGMG, Oguz ÜCÜNCÜ, auf Nachfragen zum Film „Zehras blaue Augen“. Bereits am 09.05.06 hatte jedoch der Hessische Rundfunk in seiner Sendung „Hessenrundschau“ über diesen Film und die für den Vertrieb verantwortliche türkische Medienfirma aus Hessen berichtet, so dass die IGMG sich kaum auf Unkenntnis berufen kann und Vorkehrungen gegen die Verbreitung dieses Films hätte treffen können. Den Verfassungsschutzbehörden liegen im Gegenteil sogar Anhaltspunkte dafür vor, dass einzelne Untergliederungen der IGMG mit dieser Firma seit einiger Zeit zusammenarbeiten. So fand etwa vom 14.04. bis 01.05.06 in der der IGMG zuzuordnenden Berliner Mevlana-Moschee eine von dieser Firma organisierte Buchmesse statt, auf der die VCD ebenfalls angeboten wurde. Bereits am 20.03.06 war in einer Anzeige in der „Milli Gazete“ auf eine ähnliche Buchmesse in Gelsenkirchen hingewiesen worden, die dort vom 24.03. bis 09.04.06 stattfand. Veranstalter war auch in diesem Fall die besagte Vertriebsfirma aus Hessen. Bemerkenswert ist zudem, dass dieses Unternehmen die Publikationen des türkischen Autors Adnan OKTAR alias Harun YAHYA in Deutschland vertreibt, dessen pseudowissenschaftliche, antisemitische und verschwörungstheoretische Publikationen unter türkischen Islamisten in Deutschland sehr bekannt sind.
Aktuelle Belege für antijüdische Tendenzen innerhalb der IGMG lieferte bereits die Durchsuchung der Münchner IGMG-Moschee in der Landwehrstraße 25 am 30.09.04, bei der entsprechende Literatur aufgefunden wurde, darunter die türkische Übersetzung des Buches „Der internationale Jude“ („Beynelmili Yahudi“) von Henry FORD. Solche Funde sind jedoch eher selten, denn offiziell hat die IGMG antisemitische Literatur schon längst aus ihren Buchbeständen entfernt. Hierzu gehören u.a. die Werke von Harun YAHYA, die nach Aussage des stellvertretenden Generalsekretärs der IGMG, Mustafa YENEROGLU, in den IGMG-Moscheen verboten seien. Dennoch ist zumindest in Einzelfällen bekannt, dass Bücher von Harun YAHYA auch weiterhin – auf entsprechende Nachfrage – in IGMG-Moscheen erworben werden können.
In seinem auch in Hamburg erhältlichen, 750 Seiten starken Buch „Yeni Masonik Düzen“ („Die neue Ordnung der Freimaurer“, 4. Aufl. 2002) stellt YAHYA u.a. den Zionismus mit dem Rassismus der Nationalsozialisten auf eine Stufe. Im Vorwort heißt es dazu: „Im fünften Teil [des Buches] wird die geheime Verbindung der deutschen Nazis zu den Zionisten dargelegt. Die beiden Bewegungen, die die gleiche rassistische Ideologie besaßen, sind ein interessantes Bündnis eingegangen, um die europäischen Juden nach Palästina zu schicken. Damit die Zionisten in Palästina einen Judenstaat errichten konnten, machten die Nazis Europa „Judenrein“ (so im Original auf Deutsch geschrieben), woraus mit dem Holocaust eine der größten Tragödien der Geschichte folgte.“ Weiter beschäftigt sich YAHYA in seinem Buch mit den seit „einiger Zeit auf globaler Ebene geführten antiislamischen Anstrengungen“ und behauptet, dass Israel das „Zentrum“ aller dieser Bestrebungen sei. Namentlich werden Kaschmir, Sudan, Äthiopien, Thailand und Bosnien als Regionen genannt, die von antiislamischen Mächten angegriffen werden (Stand: 2002): „Diese Angriffe gehen von einem Zentrum aus. Dieses Zentrum ist Israel: Israel organisiert alle diese Bestrebungen. ...“
Centrum-Moschee verbreitet antijüdische Zeichentrickserie für Kinder
Ein weiteres Indiz dafür, dass das Feindbild Israel bereits Kindern vermittelt wird, zeigt ein Beispiel aus der Hamburger Centrum-Moschee. Dort wurde bis mindestens Februar 2006 die vierteilige antijüdische Zeichentrickserie „Die Kinder der Al-Aksa-Moschee“ („Mescid-i Aksa Cocuklari“) zum Kauf angeboten. Der Film handelt von einem palästinensischen Jungen namens Hüsam und seinen Verwandten, die von den israelischen Besatzern in Palästina drangsaliert und gedemütigt werden und sich dagegen mit Gewalt zur Wehr setzen. Wie „Zehras blaue Augen“ stammt auch diese Serie aus Iran; sie wurde vom staatsnahen „Saba-Zentrum für Kultur und Kunst“ in Teheran produziert. Der antisemitische Charakter wird aber nicht nur durch die Herkunft nahegelegt, auch der Inhalt ist eindeutig: Die Juden werden in diesem Film ausschließlich als despotische, menschenverachtende Besatzer und heimtückische Mörder dargestellt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gewaltdarstellung ist dieser Film für Kinder gänzlich ungeeignet. Gezeigt wird z.B., wie ein israelischer Soldat völlig grundlos einen unbewaffneten älteren Mann aus dem Hinterhalt erschießt. Frauen, Kinder und ältere Menschen werden aus ihren Dörfern und Städten vertrieben, auf einem Eselskarren flüchtende Kinder werden von einem Panzer beschossen und zerfetzt. Die Gewalt von palästinensischer Seite wird dagegen ausschließlich als heroischer Widerstandskampf gegen Israel dargestellt, der mit einfachsten Mitteln (Zwillen, Wurfsicheln) geführt werden muss, aber auch „phantasievolle“ Aktionen mit einschließt. So öffnet Hüsam in der Schlussszene des ersten Teils das Sperrventil eines Staubeckens und ertränkt dadurch israelische Soldaten. Die Aussage dieses Films, mit dem in tendenziöser und böswilliger Weise die Abneigung gegen Juden geschürt wird, ist eindeutig: Die Juden sind die Feinde der muslimischen Palästinenser, und daher können und sollen sich auch Kinder am militanten Widerstand gegen die Besatzungsmacht Israel beteiligen. Der Packung mit den VideoCDs ist bemerkenswerterweise eine Werbebroschüre mit den Büchern YAHYAs beigelegt, in der auch „Yeni Masonik Düzen“ angepriesen wird.
Diese Fälle verdeutlichen, dass innerhalb der IGMG antisemitische Ressentiments weiterhin vorhanden sind. Obwohl sich die IGMG seit Jahren offiziell vom Antisemitismus distanziert, scheint sie entweder nicht willens oder nicht in der Lage, diese Linie auch nach innen konsequent durchzusetzen. Das Eingeständnis führender IGMG-Funktionäre, antijüdische Propaganda in „Milli Görüs“ nahe stehenden Medien nicht unterbinden zu können, begründet zudem Zweifel, ob die nach wie vor stark von Necmettin ERBAKAN beeinflusste Organisation überhaupt eigenständig und eigenverantwortlich handeln und die von ihr angestrebte Rolle im „Dialogprozess“ mit staatlichen Einrichtungen verlässlich wahrnehmen könnte.
No comments:
Post a Comment