Monday, October 26, 2015

Eine halbe Million Sozialhilfe – jetzt wird S. B. ausgewiesen

Das Zürcher Migrationsamt hat Anfang 2015 verfügt: «S. B.* wird aus der Schweiz weggewiesen. Er hat das Staatsgebiet bis am 16. April zu verlassen.»
S. B. ist ein heute 35-jähriger Algerier, der seit 13 Jahren in der Schweiz und von der Sozialhilfe lebt. Zusammen mit seiner dreiköpfigen Familie hat er bis heute knapp eine halbe Million Franken bezogen – für das Migrationsamt der Hauptgrund, weshalb es ihm die Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert. Nachdem S. B. so viel Sozialhilfe bezogen habe, wiege das öffentliche Interesse an seiner Wegweisung mehr als sein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Familienleben, befand das Amt in der Wegweisungsverfügung. Sie liegt dem TA vor.
Das Migrationsamt bewegt sich damit in einem Spannungsfeld, das die Gerichte oft beschäftigt – zwischen dem Recht auf Familienleben und dem öffentlichen Interesse an einer Wegweisung wegen Fürsorgeabhängigkeit.
S. B. kam 2002 von Algerien in die Schweiz und ersuchte hier erfolglos um Asyl. Nach der Ablehnung seines Asylgesuchs tauchte er unter, bis er 2005 eine Schweizerin heiratete und die Aufenthaltsbewilligung bekam. Inzwischen haben die beiden einen Sohn und leben zu dritt in einer Zürcher Gemeinde.
Laut der Verfügung des Migrationsamts ist S. B. an seiner Fürsorgeabhängigkeit selber schuld. Er spreche nach 13 Jahren kaum Deutsch, sodass die Anhörung auf dem kantonalen Amt auf Französisch durchgeführt werden musste. Gearbeitet habe er immer nur kurz, meist habe der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis vorzeitig aufgelöst. Es sei ihm in all den Jahren nicht gelungen, im Arbeitsmarkt Tritt zu fassen. Dasselbe gelte für seine 19 Jahre ältere Frau. Dass die Stadt einen Betreuungsplatz für das Kind organisiert und bezahlt habe, habe nicht geholfen. Arbeitsprogrammen habe S. B. sich verweigert, weil er darin keinen Sinn gesehen habe. Auf Forderungen nach mehr Engagement sei er ausfällig geworden.
Ausserdem, schreibt das Migrationsamt, habe S. B. zusätzliche Kosten verursacht: Wegen häuslicher Gewalt habe die Vormundschaftsbehörde eine «Familienstabilisierungsmassnahme für 15 000 Franken anordnen müssen». Auch sei er wegen Hehlerei zu einer bedingten Strafe verurteilt worden, und er habe Tausende Franken Schulden.
Es überrascht nicht, dass das Migrationsamt S. B. eine schlechte Prognose stellt: Ein Ende der Fürsorgeabhängigkeit sei nicht absehbar und nicht erwartbar. Es bestehe ein «immenses öffentliches Interesse» an seiner Wegweisung.
Diesem öffentlichen Interesse stehen die privaten Interessen von S. B. gegenüber: sein Recht auf Familienleben. Das Migrationsamt sieht dieses nicht gefährdet: Die Ehefrau spreche Französisch, so wohl auch der Sohn. S. B. habe in Algerien Verwandte, mit denen er in Kontakt stehe. Die Chance auf berufliche und soziale Integration, folgert das Amt, sei in Algerien also grösser als in der Schweiz, wo sie offenbar gegen null tendiere.
 tagesanzeiger.ch

No comments: