In der Nacht sind alle Wölfe grau
Vor der Brüsseler Entscheidung über den Fortgang der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist die Bundesregierung um eine einheitliche Position bemüht. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte am Montag, zwischen ihm und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gebe es "in der Substanz" keinen Streit in der Türkei-Frage.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte, mit seiner Äußerung habe Steinmeier nicht auf Merkel abgestellt. Steg hob hervor, die Kanzlerin habe sich nicht angesprochen gefühlt. Zwischen der Regierungschefin und ihrem Außenminister gebe es "noch nicht einmal Haarrisse" in der Außenpolitik, geschweige denn einen Riss.
Vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel sagte Steinmeier, er habe sich am Sonntagabend mit Merkel nochmals telefonisch abgestimmt, wie sich Deutschland verhalten werde. "Es gibt möglicherweise einen Streit innerhalb der CDU/CSU, aber keinen innerhalb der Bundesregierung", betonte der SPD-Politiker. Er sei sich mit der Kanzlerin einig, dass die Nichtratifikation des Ankara-Protokolls für die Türkei nicht folgenlos bleiben könne. Zugleich dürfe es auch keine Überreaktion geben.
Steinmeier bezweifelte, dass bereits beim Treffen der EU-Außenminister eine Einigung zustande kommt. Er sei aber "sehr zuversichtlich", dass die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel der am Donnerstag und Freitag eine Lösung finden werden. Die Türkei weigert sich bislang, die Zollunion mit der EU auch auf Zypern auszuweiten. Ankara hatte als Kompromiss vorgeschlagen, zunächst einen Hafen und einen Flugplatz für Zypern zu öffnen. Die EU lehnt dies als nicht ausreichend ab. Steinmeier nannte das Angebot allerdings ein "ermutigendes Zeichen des Entgegenkommens".
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla bekräftigte die Position seiner Partei für eine privilegierte Partnerschaft der EU mit der Türkei. Gleichwohl liefen jetzt ergebnisoffene Verhandlungen. Auch Pofalla bestritt, dass es einen Streit in der Koalition in der Türkei-Frage gebe.
Der CDU-Europapolitiker Matthias Wissmann forderte ein Aussetzen der Verhandlungen mit der Türkei. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, und der Unions-Außenexperte Eckart von Klaeden (CDU) distanzierten sich von Steinmeier. Ramsauer warnte den Außenminister davor, sich zum "billigen Jakob der Europapolitik" machen zu lassen. Klaeden nannte Steinmeiers Warnungen an Merkel nicht ausgewogen.
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kritisierte, einige in der Union versuchten das Thema innenpolitisch zu missbrauchen: "Wir brauchen jetzt Vernunft statt Drohgebärden." Die SPD unterstütze den Vorschlag der EU-Kommission. Parteichef Kurt Beck habe in der Vorstandssitzung deutlich gemacht: "Wir wollen, dass die Verhandlungen in einem guten Geist fortgeführt werden."
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte, es sei einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Außenminister die Regierungschefin "öffentlich zur Ordnung" rufe. Grünen-Chefin Claudia Roth warf Merkel vor, in der Türkeipolitik "jedes Augenmaß" vermissen zu lassen. Die Kanzlerin habe sich "wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten".
(ddp/jwd)
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