Sunday, February 04, 2007

Manipulation und Ignoranz in 3sat Kulturzeit

Karl Pfeifer
3sat Kulturzeit zeichnet sich zumeist durch „politisch korrekte“ News aus. Es kommt schon gelegentlich vor, dass ein schwedisch-russischorthodoxer Christ, dessen Nähe zu Neonazi und Holocaustleugnern bekannt ist, in diesem Programm als „israelischer Intellektueller“ zu Wort kommen kann, aber solche krude Manipulationen sind eher selten. Häufiger hingegen sind etwas feinere Manipulationen. So auch am Freitag, den 2. Februar 2007 als mit Bildern von gelben Stern tragenden Juden folgende Meldung untermalt wurde.„Historiker Ian Kershaw zieht Holocaust-Vergleich“
„Der britische Historiker Ian Kershaw vergleicht die aktuelle Lage von Muslimen in Europa mit dem Schicksal der Juden im Dritten Reich. Das berichtet die "FAZ" in ihrer heutigen Ausgabe. In einer Rede zum Holocaust-Gedenktag in der Deutschen Botschaft in London bezeichnete Kershaw den Holocaust als warnendes Beispiel für das fragile Gleichgewicht in unserer Gesellschaft. Er sagte: "Dort könne die Muslime das gleiche Schicksal wie die Juden ereilen, wenn wir, wie damals auch, die Alarmsignale missachteten." Die faschistischen Führer von heute trügen Armani-Anzüge, und wir hätten keinen Grund zur Genugtuung, dass wir in besseren Zeiten lebten. Kershaw gilt als einer der renommiertesten Forscher der NS-Zeit.“ (http://www.3sat.de/kulturzeit/)
3sat Kulturzeit unterlegte die Meldung noch mit einem Faksimile Ausschnitt aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).Zunächst einmal ist dazu zu sagen, dass den Journalisten der 3sat Kulturzeit hoffentlich das Denken nicht verboten wird, auch wenn man nach manchem Beitrag diesen Eindruck gewinnt. Wenn also „einer der renommiertesten Forscher der NS-Zeit“ die Zuhörer aus irgend einem Grund schockieren wollte, dann kann man doch von deutschen Journalisten elementare Kenntnisse der Zeitgeschichte voraussetzen. Aufgrund dieser 3sat Meldung zweifle ich daran, dass diese bei ihnen vorhanden sind. Denn weder Deutschland noch irgendein Staat der EU kann mit der Weimarer Republik verglichen werden. Die Regierungen wechseln in keinem dieser Staaten so häufig, es gibt keine bewaffnete Milizen die sich auf den Straßen bekämpfen. Im Gegensatz zu Weimar, hält die überwiegende Mehrheit der Bürger die Staaten für legitim und strebt kein anderes System an.Was wirklich ärgerlich ist, die 3sat Journalisten hoben ihr Zitat aus dem Kontext. Denn die FAZ Journalistin Gina Thomas berichtete im gleichen Artikel auch:
„An dem Tag, an dem eine Umfrage erschienen war, die zeigte, dass vierzig Prozent der Muslime zwischen sechszehn und vierundzwanzig Jahren behaupteten, sie zögen die Scharia dem britischen Rechtssystem vor, erregte Kershaws Parallele manchen Widerspruch.“
Fangen wir damit an, dass die meisten deutschen Juden sich zuerst als Deutsche, die zum deutschen Kulturkreis gehören, definiert haben. Und damit wird der Vergleich von Kershaw ad absurdum geführt. Hätte man unter den jungen deutschen Juden während der Weimarer Republik eine Umfrage gemacht, dann hätte nicht einmal ein Prozent der Befragten erklärt, er/sie ziehe die Halacha dem deutschen Rechtssystem vor. Es gab auch keine Aggressionen und keinen Terror der von Juden ausging.Während der Islamismus nicht erst in seinen terroristischen Auswüchsen eine Bedrohung darstellt, sondern bereits als politische Ideologie für die in vielen Moscheen agitiert wird, eine Kampfansage an universelle Menschenrechte enthält, haben die Juden Europas auf die Geltung ebendieser Menschenrechte gehofft, die von den Islamisten kategorisch abgelehnt werden. Die Hörer von Kershaw haben – wie dem FAZ-Artikel zu entnehmen ist – durchaus mit Befremden auf diesen unmöglichen Vergleich Kershaws reagiert.Den 3sat Journalisten aber, die für diese Sendung verantwortlich zeichnen, kann Manipulation bzw. Ignoranz vorgeworfen werden.
Bild: Die Redaktion von 3Sat-Kulturzeit:Dr. Eva Hassel-von Pock, Armin Conrad, Dr. Gundula Moritz, Dr. Rainer M. Schaper, Dr. Monika Sandhack und Stefan Müller.
"die jüdische"

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