Offener Brief von Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime (ZdE)
Dein SPIEGEL ist eine seit 2009 herausgegebene Zeitschrift für Kinder aus jenem Verlag, der seit 1947 das Hauptblatt DER SPIEGEL produziert. Die aktuelle Ausgabe des Kindermagazins (Nr. 1 / 2016) titelt mit: Für Kinder erklärt: DER ISLAM
und bildet ein glückliches Mädchen im Hidschab ab, im nach Koran und
Sunna ab Pubertät vorgeschriebenen Schleier. Keine Haarsträhne des
Mädchens ist zu sehen. Eigentlich lieben Kinder aller Welt an ihrer
Kleidung kraftvolle bunte Farben, doch das Körperumriss und
Körperlichkeit verbergende Oberteil des Titelmädchens ist von einem
unsinnlich blassen Flechtengrün, das Ohren, Nacken und Kehle verbergende
Kopftuch von einem beinahe weißen, fahlen Blau. In der Tat sieht man in
den letzten Jahren in Deutschland derart bleiche, Lebensfreude
verneinende Farben immer häufiger bei der Kleidung muslimischer Mädchen.
Das sympathische Kind lächelt, womit suggeriert wird, alles im Islam
und insbesondere die religiöse Kleidung sei auch für Frauen und Mädchen
grundsätzlich völlig unproblematisch.
Auf
drei Seiten erklärt der deutsche Journalist Christoph Reuter den
Kindern den Islam. Reuter hatte sein Studium der Islamwissenschaft,
Politikwissenschaft und Germanistik mit dem Magister abgeschlossen und
arbeitet seitdem beispielsweise im Irak und in Afghanistan als
Kriegsberichterstatter.
Im Abschnitt FRAUEN IM ISLAM
erklärt Reuter, dass der Koran verlangt, „dass muslimische Frauen sich
mit Anstand kleiden müssen“, und ergänzt: „Damit ist klar: sie sollen
nicht angebaggert werden.“ Dass damit jede unverschleierte Frau eine
Schlampe ist und dass selbst die keusche Verschleierung ihren Körper
sexualisiert, beklagt Reuter nicht. Der sogenannte Islamexperte
unterschlägt die in Koran und Hadith angedrohte Höllenstrafe für jede
Frau, die schuldhaft gegen Allahs bzw. Mohammeds Befehl zum
Schleiertragen verstößt. Die Seiten 22 und 23 zeigen den Kindern fünf
Frauen, eine ohne Kopftuch und vier in der religiösen Bedeckung
verschiedener Gestaltung: Hidschab, Tschador, Niqab und Burka.
Obwohl der Islam den Schleier zur religiösen Pflicht erklärt, nennt der Journalist den entsprechenden Textabschnitt DAS TRÄGT FRAU.
Gerade so, als ob es um emanzipiertes weibliches Selbstbewusstsein und
modischen Schick ginge. Tatsachenwidrig erklärt Reuter: „Der Hidschab
ist ein Kopftuch, das vor allem die Haare bedecken soll. Es gibt ihn in
verschiedenen Farben“. Nein, der gesamte Körper ist als sogenannte
islamische Aura (Schambereich) blickdicht und jeden Umriss verbergend
mit weiter Kleidung abzudecken bis auf Hände und Gesicht. Auch für die
muslimischen Frauen wird die Farbauswahl von Jahr zu Jahr eintöniger.
Die DITIB kennt Koran und Sunna und verpflichtet jedes die Pubertät erreichende Mädchen sich mit dem Schleier zu bedecken, was Dein Spiegel
dem Leser vorenthält. Vor einem Jahr ließ das Bundesverfassungsgericht
die Position des angeblich moderaten türkischen Verbandes in das Urteil
zum Lehrerinnenkopftuch einfließen:
Muslimische
Frauen müssten ab Eintritt der Pubertät in Gegenwart von Männern, mit
denen sie nicht verwandt seien und die zu ehelichen ihnen
religionsrechtlich erlaubt sei, ihren Körper – mit Ausnahme von Gesicht,
Händen und Füßen – mit Kleidung derart bedecken, dass die Konturen und
Farbe des Körpers nicht zu sehen seien. Der Kopf gelte dabei als
bedeckt, wenn Haare und Hals vollständig bedeckt seien. Dies sei ein
nach den Hauptquellen der Rechtsfindung im Islam (Koran, Sunna,
Gelehrtenkonsens und allgemeiner Übereinkunft der Gemeinden) bestimmtes
religiöses Gebot definitiver Qualität. In welcher Weise die
vorgeschriebene Bedeckung erfolge, sei allein die Entscheidung der
muslimischen Frau. Das Tragen des Kopftuchs diene demnach ausschließlich
der Erfüllung eines religiösen Gebots […]
Dass
einige Musliminnen ihren kompletten Körper, also auch Hände und Gesicht
bedecken, ist manchen Kindern bekannt. Christoph Reuter erwähnt den
Gesichtsschleier und die Burka, aber verschweigt, dass die afghanischen
Taliban die Burka mit Prügel und Mord durchgesetzt haben und erklärt den
8- bis 12-jährigen Lesern äquidistant:
Die Burka gibt es in Afghanistan. Sie bedeckt den ganzen Körper – sogar die Augen. Wer sie trägt, guckt durch ein Gitternetz.
Das
ist alles, was der Nahostfachmann sagen will? Sinngemäß schreibt der
Islamerklärer: Liebe Kinder, auch ein Vollschleier ist völlig in
Ordnung, die wasserblaue Burka ist unproblematisch und wer als Frau in
dieses typisch afghanische Gewand schlüpft, kann die Welt natürlich nur
noch durch das dazugehörige Stoffgitter betrachten. Auch dass der
zumeist schwarze Niqab (Gesichtsschleier) mit seinem Sehschlitz von
wenigen Millimetern nur ein extrem schmales Blickfeld ermöglicht, ist
für Reuter kein Problem. Nun fröhlich weiter im Text, lernen wir mehr
über die aufregende Religion Islam.
Der
ZdE verurteilt diese Verharmlosung einer Religion, die, solange sie auf
die Wörtlichkeit von Koran und Sunna besteht, immer auch eine
totalitäre politische Bewegung ist, die unsere Lebensqualität und
Freiheit in den sogenannten islamischen Ländern ebenso wie in Europa
oder jedem anderen Land mit Einschüchtung, Angriffen, Hinrichtungen,
Schleierzwang oder sogar mit der Burka stark einschränkt und belastet.
Unabhängig
davon, ob ein Journalist sich an Kinder oder Erwachsene wendet, können
wir erwarten anzuerkennen, dass jedes Kinderkopftuch eine
Kinderrechtsverletzung ist. Die Schariagelehrten verlangen den Schleier
von jedem Mädchen, das die Pubertät erreicht hat bzw. neun Jahre alt
geworden ist. Jungen oder Männer unterliegen weder dieser strengen
Verschleierung noch sind sie rund um die Uhr auf anständiges Verhalten
zu überwachen. Der Hidschab und die gesamte entwürdigte Rolle der Frau
im islamischen Recht verstoßen gegen die allgemeinen Menschenrechte und
das deutsche Staatsziel der Gleichberechtigung. Herr Reuter hätte das
erwähnen müssen und zusätzlich nicht verschweigen dürfen, dass jede
rituelle Beschneidung der Genitalien Minderjähriger, also von Mädchen
und Jungen unter 18 Jahren, die körperliche Unversehrtheit antastet und
daher grundrechtswidrig ist. Der Islam verlangt die Jungenbeschneidung,
in Reuters nordirakischem Arbeitsgebiet sogar die Beschneidung
(Genitalverstümmelung) der Mädchen. Noch ist die geringst invasive Form
der Mädchenbeschneidung in Deutschland verboten und das soll so bleiben.
In
der Scharia ist die Frau ein Wesen, das bereits durch ihr körperliches
Existieren die Männer zur Sünde verführen kann und deshalb bis auf Hände
und Gesicht mit einem Schamtuch zu bedecken ist. Besser noch sie geht
gar nicht erst auf die Straße. Ohne Erlaubnis des Ehemannes darf sie das
Haus grundsätzlich nicht verlassen, Fundamentalisten praktizieren den
Islam so. Würde Herr Reuter akzeptieren, dass seine Tochter mit neun
oder zehn Jahren den Schleier anlegen und bis ans Ende ihres Lebens
jeden Tag tragen muss? Würde er billigen, dass ihre Haare nicht frei im
Wind wehen dürfen? Weiß Reuter nicht, dass mit der islamischen Kleidung
für die Muslima eigentlich auch, wie es der Koran verlangt, ein im
Vergleich zu ihrem Bruder halbiertes Erbteil verbunden ist sowie der
halbe Wert ihrer Aussage vor Gericht?
Will
Herr Reuter uns Frauen aus sogenannten islamischen Ländern erklären,
dass es gar nicht so schlimm ist mit einem Tschador oder einer Burka auf
die Straße zu gehen? Kann er die Erniedrigung nicht verstehen? Wie kann
er für Frauen, wo auch immer auf der Welt, das Kopftuch kritiklos
zulassen und zugleich wissen, dass an vielen Orten die
Kopftuchverweigerin eingesperrt oder ausgepeitscht und die
beispielsweise somalische, afghanische oder iranische Muslima, die mit
einem Mann islamisch unerlaubten Sex hat, durch Erhängen oder Steinigung
hingerichtet werden kann? Der Kriegsberichterstatter weiß, dass an der
globalen Kampagne zur Verschleierung der Frau besonders gewalttätige
Organisationen beteiligt sind, von Boko Haram bis zu den Taliban, von
Al-Shabaab bis zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Das sogenannte
Kopftuch ist kein unschuldiges Stück Stoff und der Terror hat sehr wohl
mit dem Islam zu tun. Christoph Reuter:
Der
Islam war anders als das Christentum und das Judentum – aber nicht
völlig unterschiedlich. […] Bis heute streiten viele Menschen darüber,
wie friedlich Mohammed war, wie friedlich der Islam überhaupt in die
Welt gekommen ist […]
Mehrere
Hadithe befehlen die Tötung desjenigen, der seine Religion wechselt,
weshalb das Abfallen vom Glauben nach islamischer Rechtsauffassung mit
dem Tode bestraft wird. Selbst in Europa müssen Islamapostaten mit
Morddrohungen rechnen. Menschen, die sich in sogenannten islamischen
Ländern tatsächlich oder angeblich vom Islam abwenden, erleiden soziale
Ächtung, den Verlust des Arbeitsplatzes, Angriffe oder haben mit
Mordanschlägen zu rechnen. In mehreren Staaten werden Apostaten
islamjuristisch begründet hingerichtet. Offensichtlich ist Reuter der
Ansicht, dass man Kindern das wahre Gesicht des Islam nicht zumuten kann
und präsentiert ihnen einen rosaroten Kitschislam oder Bambi-Islam.
Der
ZdE protestiert gegen diese Verharmlosung der menschenfeindlichen und
insbesondere frauenfeindlichen Bewegung und fordert vom Kindermagazin Dein Spiegel
eine Erklärung. Kinder brauchen sachliche Information und unseren
besonderen Schutz. Alle Mitbürger in Deutschland, denen die universellen
Menschenrechte und insbesondere die Gleichberechtigung von Mann und
Frau wertvoll sind, rufen wir auf, gegen eine derartige märchenhafte
Schönfärberei aktiv zu werden.
Über
Mohammad schreibt Herr Reuter völlig unkritisch und verschweigt, dass
seine Kriege und Landnahmen denjenigen des heutigen IS sehr ähnlich
sind. Nein, nein, dass dürfen wir Kindern nicht erzählen, so scheint
Reuter zu denken, die jungen Schüler sollen ausschließlich hören, dass
Mohammad ein netter Mensch war und dass alle späteren oder heutigen
Probleme mit Dschihadisten mit dem eigentlichen Islam und seinem
Propheten nichts zu tun haben. Wir brauchen uns keine Gedanken zu
machen, alles ist im grünen Bereich und jede Frau kann schließlich auch
mit Kopftuch und Burka glücklich werden und weiter leben …
Sollen
die Kinder, sollen wir alle die Folgen der globalen islamischen
Bewegung bagatellisieren, vielleicht in der Hoffnung, dass dann die
Terroristen nicht böse werden und sowieso alles von selbst besser wird?
Hat al-Qaida, haben die Taliban den Islam falsch verstanden, sind
Staaten wie Pakistan, Saudi-Arabien oder der Iran ja vielleicht noch
nicht islamisch genug?
Nein,
liebe Verantwortliche der Kinderzeitschrift des Spiegel-Verlages: Die
Musliminnen unter dem Schleier, die Frauen oder Kinder mit dem Kopftuch
sind Opfer dieser Bewegung und auch Religion und man kann diesen
Mitmenschen nur helfen, indem man Klartext redet und nicht schönfärbt
oder vertuscht.
Die
Unvereinbarkeit von islamischem Recht und allgemeinen Menschenrechten
bzw. von Scharia und Grundgesetz müssen wir ansprechen – auch und gerade
gegenüber allen Kindern und Jugendlichen.
Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime
09.01.2016
Tel: 0049 (0) 1775692413
minaahadi26@gmail.com
No comments:
Post a Comment