Soll die Bedrohung Israels durch das Atomprogramm des Iran hervorgehoben werden, fühlen sich nicht wenige Freunde Israels herausgefordert, sogleich hinzuzufügen: Europa sei ja genauso bedroht. Fast reflexartig wird damit die Bereitschaft zum Bündnis angedeutet: Die Europäer müssten aufgerüttelt werden, damit sie endlich erkennen, dass jenes Vernichtungsprogramm doch auch ihre eigenen und eigensten Interessen in Frage stelle.
Die sechs Millionen Toten der Shoah waren ein Teil der Millionen und Abermillionen Toten im nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzug. Daraus nun zu schließen, dass die Vernichtung der europäischen Juden also auch nur einen Teil und nicht den Kern dieses Feldzugs bildete, darauf käme niemand, der begriffen hat, was der Nationalsozialismus war. Es diente nur dazu, den Antisemitismus zu camouflieren. Aber wie sorgsam war man einmal bei den Antifaschisten darauf bedacht, die besondere Lage der Jüdinnen und Juden zu verschweigen, und wie viel hat damit die »Volksfront«-Politik beigetragen, den Nationalsozialismus an sich zu verharmlosen, indem man nämlich ständig betonte, dass dieses Regime doch gerade dem Interesse des »deutschen Volks« entgegengesetzt sei. »Faschismus bedeutet Krieg«: das war richtig; aber alles Formelhafte trägt die Unwahrheit schon in sich, und so auch diese Formel. Denn der kommende Krieg, der bereits 1933 ausgerufen wurde, hatte mit Krieg im bisherigen Sinn so wenig gemein als »Faschismus« überhaupt noch fassen konnte, was in Deutschland vor sich ging: Nationalsozialismus bedeutete Krieg als »Vernichtungskrieg gegen die Juden«, wie Ernst Fraenkel bereits 1938 schrieb.
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