von Ramiro Fulano
Werfen wir schnell einen Blick auf das, was gestern geschah, meine Damen und Herren: Das katalonische Parlament in Barcelona billigte mit 70 zu zehn Stimmen (bei zwei ungültigen Voten) die einseitige Erklärung der Eigenstaatlichkeit und Unabhängigkeit von Katalonien.
Das katalonische Parlament wurde daraufhin von der spanischen Zentralregierung aufgelöst. Neuwahlen wurden für den 21. Dezember angekündigt. Die katalonische Exekutive (vulgo: Regierung) wurde von Mariano Rajoy aufgelöst. Für den Fall, dass sich die Autonomiebehörde widersetzt, wurden bereits Zwangsmaßnahmen angekündigt, die körperliche Gewalt ausdrücklich einschließen.
Die EU hat sich bereits am Freitag in vollem Umfang hinter das Vorgehen der spanischen Zentralregierung gestellt. Zuvor hatte sie den brutalen Knüppeleinsatz gegen Zivilisten stillschweigend unterstützt oder – im Fall von Frans Timmermanns – als „angemessen“ gutgeheißen; schwere Menschenrechtsverletzungen sind anscheinend der Preis für „Mehr Europa“.
Das ist dasselbe Evil Empire, das sein Demokratiedefizit zwar leutselig bedauert, wenn derlei öffentlich opportun erscheint, das aber nur zu erpicht darauf ist, die verfassungsmäßigen Organe in seinen Gliedstaaten außer Kurs zu setzen. Wenn das Bundesamt für den Verfassungsschutz seinen verfassungsmäßigen Auftrag ernst nähme, müsste es dann nicht auch die EU observieren?
Stattdessen gibt nun mit den „Zwei Jordis“ zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg wieder politische Gefangene in Westeuropa (nein, liebe Linke, bei Eurer RAF hat es sich um ganz gewöhnliche Kriminelle gehandelt). Der Chef der katalonischen Regionalpolizei wurde bereits gezwungen, seinen Reisepass abzugeben, damit auch er jederzeit eingebuchtet werden kann.
Jean-Clown Juncker hat sich in seiner typischen, inkohärenten Rhetorik in der Katalonien-Krise zu Wort gemeldet und davon schwadroniert, dass „wir in Europa“ mehr Eigenstaatlichkeit und Demokratie momentan nicht gebrauchen können. Ich verbitte mir dieses „Wir“, Herr Juncker, von Ihnen.
Junckers Kalkül ist jedoch nicht nur von einer bemerkenswerten Impertinenz, sondern auch von zweckdienlichen Missverständnissen geprägt: In einer funktionierenden Demokratie geht es nicht danach, was die Regierung will, sondern was ihr demokratischer Souverän (vulgo: das Volk, vertreten durch seine Abgeordneten) von seiner Exekutive verlangt. Alles andere führt früher oder später zur Diktatur.
Das alles – und vermutlich noch mehr, von dem nichts in der Zeitung stand – geschieht in Brüssel und Berlin. Das Skandalöse daran ist, dass es sich dabei nicht um die Ausnahme, sondern die regelhafte Routine der Brüsseler Beamtendiktatur handelt.
Und so lässt die EU dann von ihrem Mann in Madrid durchregieren. Und ja, liebe Leserinnen und Leser, das ist derselbe Mariano Rajoy, der sich seine ersten „politischen“ Sporen bei der Union Cívica Española erwarb: einer revanchistischen Vereinigung, die gegen Spaniens Rückkehr zur Demokratie agitierte und in der Freizeit das Andenken des Diktators Franco pflegte.
So jemand wie Señor Rajoy ist natürlich wie dafür geschaffen, verfassungsmäßige Organe aufzulösen und Demokratie außer Kurs zu setzen – und das alles im Namen „europäischer Werte“.
Es ist an dieser Stelle zunächst eins zu bemerken: An der demokratischen Legitimität des katalonischen Parlaments und seiner Mitte-Links-Regierung bestanden bis zum Ende letzter Woche weder in Madrid, noch in Brüssel oder Berlin irgendwelche Zweifel.
Doch nun wird plötzlich von den üblichen Verdächtigen in allen zweckdienlichen Positionen vom „Putsch“ in Barcelona fantabuliert. Komisch, wie schnell sich politische Allianzen ändern können, wenn jemand einem in die Suppe spucken will, nicht wahr, liebes uffjeklärtes Milieu? In der Ukraine war noch alles dufte mit dem Separatismus - auch wenn damals alles in Blut Tränen geendet hat.
All das geschieht, während die EU-Propagandabrigade rings um Donald Tusk und Guy Verhoftsadt sich auf „europäische Werte“ beruft. Daran, welche Werte das sind, kann angesichts der Katalonien-Krise keinerlei Zweifel bestehen.
Der Versuch, die Katalonien-Krise durch „Mehr Europa“ zu lösen, scheint wenig aussichtsreich. Ein in seiner Brutalität gegen die Zivilbevölkerung eskalierender Staatsapparat wird zwangsläufig zu einer vermehrten Bereitschaft zum Separatismus führen. Veneto und Lombardei haben sich ebenfalls in der letzten Woche für mehr Autonomie ausgesprochen, was in ihrem Fall vor allem die Verfügung über ihre eigenen Steuerzahlungen und (noch) nicht die Eigenstaatlichkeit betrifft.
Da jedoch „Mehr Europa“ das einzige ist, was diesem Evil Empire zur Lösung jener Probleme einfällt, die es maßgeblich kreiert, ist nicht davon auszugehen, dass es sich ausgerechnet in diesem, kritischen Moment seiner Historie als reformfähig erweist.
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