Ermittler haben am Mittwoch ein weiteres Büro des SPD-Innenpolitikers Sebastian Edathy in seinem niedersächsischen Heimatort Rehburg durchsucht. "Es wurden dort Dinge sichergestellt", sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover, Kathrin Söfker, der Nachrichtenagentur dpa. Die "Welt" hatte berichtet, es seien ein Computer und eine große Kiste mit Unterlagen abtransportiert worden.
Die Zeitung berichtete außerdem, das durchsuchte Büro liege im selben Haus wie die Wohnung des Politikers, die bereits am Montag Ziel der Fahnder war. Die Staatsanwältin sagte, die Existenz des weiteren Büros sei erst durch die Durchsuchung am Montag bekanntgeworden.
Nach Recherchen des NDR Politikmagazins "Panorama 3" soll Edathy zwischen dem 21. Oktober 2005 und dem 18. Juni 2010 Film- und Fotosets mit Nacktaufnahmen von Kindern bei einer kanadischen Firma 4P5P bestellt und erhalten haben. Dies gehe aus dem Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Hannover hervor. Wie "Panorama 3" aus Ermittlerkreisen erfahren haben will, soll es sich bei den Nacktbildern um Aufnahmen der sogenannten Kategorie 2 handeln, bei denen die Genitalien nicht im Vordergrund stehen. Sie zeigen unbekleidete Jungs im Alter von ungefähr acht bis 14 Jahren. Sexuelle Handlungen werden nicht dargestellt. Der Besitz solcher Aufnahmen ist in Deutschland nicht strafbar.
Aus Sicht der Ermittler begründet der Besitz beziehungsweise die Beschaffung von Bildern dieser Art jedoch einen hinreichenden Verdacht, dass ein Beschuldigter auch härtere Kinderpornographie der Kategorie 1 konsumiert. Vor diesem Hintergrund leitet eine Staatsanwaltschaft in der Regel ein Ermittlungsverfahren ein, um den Verdacht zu bestätigen oder zu entkräften. Mit seiner Unterschrift unter den Durchsuchungsbeschluss hat der unterzeichnende Richter in diesem Fall den Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft Hannover als begründet anerkannt.
Ein Sprecher der kanadischen Polizei in Toronto wollte keine Verbindung zwischen Ermittlungen in Kanada und denen in Deutschland herstellen. Constable Victor Kwong, Sprecher der Polizei Torontos, legte lediglich generell dar, dass Informationen, die im Zuge von Ermittlungen gesammelt werden, an die nationalen Polizeibehörden weitergegeben werden. "Es liegt an diesen Polizeidienststellen, zu Einzelfällen Stellung zu nehmen. Wir führen nicht die Ermittlungen, wir geben nur Informationen“, sagte Kwong dem Tagesspiegel.
Kanadas Polizei hat schon mehrmals Erfolge im Kampf gegen Kinderpornografie verbuchen können. Im Februar meldete Torontos Polizei bereits zwei Festnahmen wegen des Verdachts des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie. Im Jahr 2008 führten Hinweise aus Toronto in Sachsen-Anhalt zur Festnahme eines Mannes, der seinen Sohn missbraucht und Fotos von den Taten über das Internet verbreitet hatte. Ein Ermittler hatte auf einem Foto eine Limonadeflasche und ein Schulbuch erkannt, die auf Deutschland hinwiesen. Computerspezialisten in Toronto gelang es zudem, das Gesicht des Täters, der sich unkenntlich gemacht hatte, wieder freizulegen. Das deutsche Bundeskriminalamt, das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt und die Staatsanwaltschaft Halle konnten über den Limonadehersteller und den Buchverlag den Tatort einkreisen. Nachforschungen bei Schulen führten schließlich zur Identifizierung des Opfers und der Festnahme des Täters.
Edathy hatte sich gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft gewehrt und die Vorwürfe gegen ihn zuvor als gegenstandslos bezeichnet. "Nach mir vorliegenden Informationen wirft mir die Staatsanwaltschaft ausdrücklich kein strafbares Verhalten vor", sagte Edathy "Spiegel Online". "Die Durchsuchungen waren nicht nur unverhältnismäßig, sondern stehen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft demnächst einräumt, dass die Vorwürfe gegenstandslos sind", sagte der nach 15 Jahren aus dem Bundestag ausgeschiedene Politiker am Mittwoch.
Die Staatsanwaltschaft Hannover wies die Kritik im Gegenzug zurück. "Wir haben hier ein rechtsstaatliches Verfahren, das sich nicht von Verfahren gegen andere Beschuldigte unterscheidet", sagte die Sprecherin der Behörde, Kathrin Söfker, am Mittwoch. "Wenn Herr Edathy meint, dass nicht rechtmäßig gegen ihn vorgegangen wurde, dann kann er dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde einlegen." Zu den konkreten Vorwürfen, die gegen den SPD-Politiker erhoben werden, wollte die Staatsanwältin weiter keine Auskunft geben.
tagesspiegel
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