[Sie] wussten, dass sie selbst sterben würden. Sie trieb weder die Lust an der Macht über Leben und Tod noch die Sehnsucht nach einem Gottesstaat. Die Verzweiflung der Palästinenser ist das Ergebnis einer einfachen Rechnung: die gescheiterten Friedensverhandlungen und der Gazakrieg im Sommer, addiert mit dem von Israel fortgesetzten Siedlungsbau, dem sozialen Gefälle in der Stadt, wo Araber Bürger zweiter Klasse sind, und schließlich der Kampf um den Tempelberg.Ein besonders entschlossener Protest also. Protest gegen allerlei Ungerechtigkeiten, die, so viel ist klar, samt und sonders auf das Konto Israels gehen. Und wer würde das nicht verstehen? Schließlich haben Mahmud Abbas und seine Fatah – ganz im Einklang mit der palästinensischen Bevölkerung – ja immer wieder bekundet, wie sehr ihnen ein gutes Auskommen mit den jüdischen Nachbarn und eine Anerkennung Israels am Herzen liegen. Den Mord auf dem Tempelberg Anfang November hat Abbas deshalb selbstredend schärfstens verurteilt. Außerdem würde er Israelis in einem palästinensischen Staat natürlich jederzeit herzlich willkommen heißen. So etwas wie ein soziales Gefälle, Rechtlosigkeit oder gar Korruption kennt man in den palästinensischen Autonomiegebieten ohnehin nicht. Und zum Gazakrieg wäre es bekanntlich nie gekommen, wenn Israel die hilf- und harmlosen Protestaktionen der Hamas einfach gelassen ignoriert hätte, statt schon wieder sein mörderisches Militär in Gang zu setzen.
Der Friedenswillen der palästinensischen Seite ist also ungebrochen, während die bellizistischen Israelis samt ihrer ultraziofaschistischen Regierung die Palästinenser weiter in die Verzweiflung treiben. Und diese Verzweiflung ist inzwischen so groß, dass selbst langmütige Menschen, die niemals die Lust an der Macht über Leben und Tod oder gar die Sehnsucht nach einem Gottesstaat treiben würde, lieber nach dem Motto »sterben und sterben lassen« verfahren, als weiterhin die Existenz von Juden – noch dazu betenden – zu ertragen. Insofern ist es nur zu verständlich, wenn sie als Zeichen ihres Unmuts mit Äxten und Messern – noch die Primitivität der Waffen zeugt von ihrem harten Los unter der zionistischen Knute – auch mal einen jüdischen Gottesdienst vorzeitig beenden. Mit Antisemitismus hat das jedenfalls nichts zu tun. Außerdem: Gehören zu einem Mord nicht immer zwei Seiten – eine, die ihn alternativlos macht, und eine, die ihn über sich ergehen lässt, damit die blutigen Bilder hinterher propagandistisch ausgeschlachtet werden können? Eben.
Wie gut also, dass es ein Land gibt, dem man noch nie vorwerfen konnte, unnötig viel Empathie gegenüber Juden zu empfinden. Und wie gut, dass dieses Land über Journalistinnen wie Susanne Knaul von der taz und Nicole Diekmann vom ZDF verfügt, die zur Sprache bringen, wie sehr Menschen leiden müssen, die keinen anderen Ausweg sehen, als ihrem Friedenswillen mit, sagen wir, derart unorthodoxen Mitteln Ausdruck zu verleihen und dabei ihr eigenes Leben zu riskieren. Wie gut außerdem, dass es in diesem Land einen Politiker wie Gregor Gysi gibt, der eingesehen hat, dass es jetzt nur eine Lösung geben kann, nämlich »Palästina diplomatisch an[zu]erkennen«. Nach seinem nicht ganz reibungslos verlaufenen Toilettengang vor einigen Tagen ist der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag nun zu der Erkenntnis gelangt, dass ein solcher Schritt »auch ein wichtiges Signal an die israelische Regierung« ist und »allemal wirksamer und besser als das Verhängen von Sanktionen, zum Beispiel in Form von Wirtschaftsembargos«. So bekämen dann auch die Toten in der Jerusalemer Synagoge ihren Sinn – für Israelis wie Palästinenser. Die Tat hätte sich also vollauf gelohnt!
lizaswelt
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