Tuesday, October 16, 2012

Manfred Gerstenfeld: Chamberlains gegenwärtiges Europa

Neville Chamberlain, viel verachteter britischer Premierminister vor dem Zweiten Weltkrieg, hätte sich nicht vorstellen können, dass seine fehlgeschlagene Appeasement-Politik nach dem Zweiten Weltkrieg wiederbelebt werden würde. Er selbst ist zwar nicht rehabilitiert worden, doch das Wesen seiner Politik ist von westeuropäischen Regierungen bereits seit Jahrzehnten weithin praktiziert worden.
Ein Beispiel dafür, wie Deutschland dieser Politik folgte, ereignete sich nach der Ermordung von elf israelischen Athleten und eines deutschen Polizisten bei den Münchener Olympischen Sommerspielen 1972 durch palästinensische Terroristen. Jüngst von den israelischen Staatsarchiven zur Veröffentlichung freigegebene Dokumente offenbaren, dass die Deutschen bei ihren Versuchen der Bekämpfung von Terroristen kläglich versagten.
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Das deutsche Magazin Der Spiegel deckte auf, dass die deutsche Regierung ein paar Monate nach den Morden den Kontakt zu den Terroristen des Schwarzen September suchte, um eine Vereinbarung mit ihnen zu erreichen. Nach der Entführung eines deutschen Flugzeugs wurden drei festgenommene Terroristen freigelassen. Die Deutschen unternahmen nichts, um die Terroristen erneut festzusetzen und zur Rechenschaft zu ziehen.
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Symbolisch gesprochen war diese deutsche Appeasement-Haltung gegenüber palästinensischen Mördern nach München 1972 ein – wenn auch weitaus kleineres – Gegenstück zu München 1938, als die tschechische Demokratie von den Briten und Franzosen an Hitler ausgehändigt wurde. Diesmal war es das demokratische Deutschland, das vor den Kriminellen kapitulierte.
Das deutsche Appeasement gegenüber Terroristen nach den Münchener Olympischen Spielen ist kein Einzelfall. Bat Ye’or schreibt, dass in den 1970-ern Frankreich, England, Italien und Österreich informelle Abkommen mit der PLO trafen, um ihre Länder vor Terrorismus zu schützen.
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2008 schrieb der frühere italienische Präsident Francesco Cossiga, dass eine Vereinbarung des „tu mir nichts, dann tu ich dir auch nichts“ zwischen der italienischen Regierung und der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) sowie der PLO existierte.
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Der christdemokratische Premierminister Aldo Moro, der diese Vereinbarung genehmigte, wurde später von italienischen Terroristen ermordet.
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