Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Die Enttäuschung über den Wahlausgang in den Palästinensergebieten ist in Europa größer als in Amerika oder Israel. Der Wahlsieg der Hamas zerschlug liebgewonnene Mythen und Klischees.Die Europäer hatten die PLO schon 1980 mit ihrer Venedig-Erklärung zum legitimen Repräsentanten des palästinensischen Volkes erklärt, ohne erst eine Absage an Terror oder die Anerkennung Israels zu fordern. Nur acht Jahre nach München wollten die Europäer den Freiheitskampf der PLO nicht mit Terror gleichsetzen. Die Amerikaner boten Arafat 1988 eine teilweise Legitimierung, nachdem er in Genf der Gewalt absagte und seinen Staat auf die besetzten Gebiete beschränken wollte. Als jedoch Arafats Gefolgsmann Abul Abbas mit Gummibooten einen Angriff auf die amerikanische Botschaft in Tel Aviv startete, zogen die Amerikaner ihre PLO-Anerkennung wieder zurück. Israel anerkannte die PLO 1993 nach Geheimverhandlungen in Oslo. Bedingung war ein Brief Arafats, in dem er der Gewalt abschwor und der Streichung jener Paragrafen in der PLO-Charter zustimmte, die zu Israels Vernichtung aufriefen.Der israelische Glaube an eine Friedensbereitschaft der Palästinenser verflog kurz nach der Einrichtung der Autonomie und der Rückkehr Arafats. Immer blutigere Terroranschläge stärkten die rechten Oslo-Gegner, bis Jitzhak Rabin ermordet und Benjamin Netanjahu zum Premierminister gewählt wurde. Das Intermezzo mit Ehud Barak hatte mit den Palästinensern wenig zu tun. Einerseits wurde Netanjahu wegen gescheiterter Wirtschaftspolitik abgewählt, andererseits versprach (und hielt) Barak einen Rückzug aus dem Sumpf des Libanon nach 25 Jahren und über 1200 sinnlosen Toten. Mit Ausbruch der Intifada verloren selbst die "Frieden-Jetzt" Aktivisten ihre palästinensischen Dialogpartner. Während der Aufstand schon tobte, glaubte Barak immer noch, mit Arafat in Taba im Januar 2001 einen Frieden aushandeln zu können. Die Quittung erhielt Barak, indem Ariel Scharon mit überwältigender Mehrheit gewählt wurde. Scharon verhieß Sicherheit. Seine Friedensversprechen klangen hohl. Am Ende beschloss Scharon, Israel von den Palästinensern "abzukoppeln" und mit "einseitigen Schritten" Israels Grenzen und Interessen durchzusetzen, anstatt noch auf das Wohlwollen der Palästinenser zu warten, anstatt zu bomben über jeden Quadratkilometer zu feilschen. Scharon setzte allen Friedensprozessen ein Ende und schuf die Grundlage für den Palästinenserstaat, aber ohne Friedensvertrag.Die Amerikaner hofften, weiter vermitteln zu können. Tennet, Mitchel, Zinni und andere Autoren von "Waffenstillstandsplänen" sollten Kontakt zwischen Arafat und Scharon aufrecht erhalten. Als aber Israel im Roten Meer ein Schmugglerschiff mit einer Riesenladung Raketen für Gaza aufrieb, wurde General Zinni nach Washington zurückgerufen. Wenig später wurden drei amerikanische Diplomaten im Gazastreifen durch eine Autobombe ermordet. Arafat tat nichts, den Anschlag aufzuklären. Desillusioniert kappten sie alle Kontakte zu Arafat.Die Europäer glaubten weiterhin an den "Freiheitskampf" der Palästinenser und pumpten Milliarden in die Autonomiegebiete, während in Israel immer häufiger Busse und Restaurants in die Luft flogen. Mit bürokratischen Kopfständen bestätigten sie sich selber, dass keine EU Gelder für die Finanzierung dieser Terroranschläge missbrauchte würden, obgleich über 50 Prozent der palästinensischen Staatskasse von der EU subventioniert wurde. Unbekümmert zahlte die EU auch Polizistengehälter weiter, obgleich immer öfter Arafats Sicherheitsleute in Anschläge verwickelt waren.Erst nach dem Tod von Arafat, als die Millionensummen auf dem Konto von Arafats Frau Suha zum Stadtgespräch geworden waren, begann man auch in Brüssel nach spurlos verschwundenen Milliarden Euro "Entwicklungshilfe" Ausschau zu halten. Bis dahin hatte man in Europa nur die in tiefer Armut lebenden Palästinenser gesehen, nicht aber die protzigen Villen und die chromblitzenden Autos der Funktionäre, die auf dem Höhepunkt der Intifada in der Nachbarschaft der europäischen Botschaften in Ramallah aus dem Boden gesprossen waren.Erst mit der großen Mehrheit für die fundamentalistische Hamas bei hoher Wahlbeteiligung erkannte die EU, dass die hehren Ideale eines friedlichen weltlich-demokratischen Staates neben Israel für die Palästinenser kein Thema mehr waren. Die Osloer Verträge, die Roadmap, die Kunstformel "Land für Frieden" und selbst die von der Schweiz mit Millionensummen unterstützte "Genfer Friedensinitiative" erweisen sich als Makulatur. Die Europäer stellen jetzt schmerzhaft fest, dass barttragende Islamisten und ihre tiefverschleierten Frauen nicht mehr in das romantische Bild des Freiheitskämpfers mit dem Palästinensertuch passen. Klarer als es je ein EU-Politiker gesagt hat, erklärte Angela Merkel in Jerusalem: "Wichtig ist, dass seitens der Hamas verstanden wird, dass wir klare Prinzipien haben."
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
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