Europa hat kein Interesse an Sanktionen. So bleibt nur der »Dialog«, doch der ist schon lange ein Monolog. von thomas uwer
Der Dialog lebt vom Symbolhaften. Weil man über konfliktträchtige Themen nicht reden kann, wird zusammen gesungen, Fußball gespielt und ab und an die Einhaltung von Menschenrechten angemahnt. Was zählt, ist, überhaupt in Kontakt zu bleiben. Der Weg ist das Ziel. So etwa funktioniert, was als europäische Option gegenüber dem Iran gehandelt wird. Oder vielmehr: Es funktioniert nicht.
Kaum mehr als ein Jahr ist es her, dass sich die so genannten EU-3, also Frankreich, Großbritannien und Deutschland, mit der iranischen Führung auf ein Aussetzen der Uran-Anreicherung geeinigt haben. Die Vereinbarung verlangte eine Unterbrechung der Uran-Anreicherung als Gegenleistung dafür, dass das iranische Atomprogramm nicht vor den UN-Sicherheitsrat gebracht wurde.
Eine »vertrauensbildende Maßnahme« nannte die mit der Überwachung des Moratoriums beauftragte Internationale Atomenergiebehörde das Zugeständnis der iranischen Regierung, einen »freiwilligen« und »nicht rechtlich bindenden« Schritt zur Schlichtung des Streits um das Atomprogramm. Der Iran selbst solle Vorschläge unterbreiten, wie eine rein »friedliche« Nutzung der Kernenergie sichergestellt werden könne, und dafür reichlich Belohnung erhalten. Ein Handelsabkommen mit der EU, Gespräche über die »Sicherheit der Region« und Brennstoff für die iranischen Atomanlagen wurden genauso in Aussicht gestellt wie die Unterstützung der Klerikaldiktatur bei dem Bemühen um eine Aufnahme in die WTO und eine Reform des Atomwaffensperrvertrags unter Mitwirkung des Iran.
Dass diese Vereinbarung überhaupt so lange gehalten hat, bis eine Übersetzung in die Sprachen aller Beteiligten vorlag, durfte die EU bereits als veritablen Teilerfolg verbuchen. Denn das Abkommen von 2004 folgte lediglich einem ganz ähnlichen von 2003, das der Iran schon nach wenigen Monaten wieder brach. Als Konsequenz wurden die Bedingungen erleichtert, unter denen die iranische Führung wieder in die Verhandlungen einsteigen konnte: Selbstverpflichtung statt Kontrolle, vorläufiger statt vollständiger Verzicht.
Für die iranische Führung hat sich das Geschäft gelohnt. Solange sie mit der Bombe droht, darf sie auch weitere Angebote erwarten, wobei der Preis bereits für kleinste Zugeständnisse stetig steigt. Je näher die Mullahs an der Bombe sind, desto kostbarer wird der Dialog. Wie es scheint, nunmehr zu kostspielig für Europa. Nach drei Jahren Verhandlungen um einen immer geringfügigeren Minimalkonsens räumen die EU-3 jetzt ihr »Scheitern« ein.
Das ist die freundlichste Umschreibung dessen, was wirklich passiert ist. In den vergangenen drei Jahren ist der Iran immer weiter fortgeschritten bei dem Bemühen um technisches Knowhow und Material. Wie weit der Staat technisch noch von der Fertigstellung der Bombe entfernt ist, darüber mag Uneinigkeit bestehen. Politisch setzen die Mullahs die Waffe bereits ein.
Die Ursache der gegenwärtigen Krise liegt einmal mehr in der europäischen Verwechslung von Verhandlung und Dialog. Die Grundlage aller europäischen Vereinbarungen mit dem Iran war der Glaube, dass es zumindest einigen in der iranischen Führung um eine friedliche Nutzung der Kernenergie gehe. Wie auch im Falle der Vernichtungsdrohungen gegen Israel wird der Wunsch nach Kernwaffen als rein symbolische Geste abgetan.
Dabei fordern selbst die scheinbar Moderaten, wie der Favorit des Westens bei den letzten Präsidentschaftswahlen, Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, seit Jahren den Besitz der Bombe. Gegen wen sie eingesetzt werden soll, muss kaum mehr erwähnt werden: »Die Strategie der Imperialisten wird zu einem Stillstand kommen«, tönte Rafsanjani vor vier Jahren an der Universität Teheran, »weil bereits der Gebrauch einer Atombombe in Israel alles dort zerstören würde.« Dies wollten die EU-3 genauso wenig wahrhaben wie die Tatsache, dass der Antisemitismus der iranischen Führung ernst gemeint ist.
Umso größer ist der Ärger der EU-3 heute. »Dialog« haben die ganzen Jahre nur sie selbst geführt. Die iranische Führung hingegen hat verhandelt. Mit sicherem Erfolg: Denn entweder würden sie die Atombombe haben oder aber nahe genug an sie herangekommen sein, um sie als politische Drohung wirkungsvoll einzusetzen. Warum nicht auch noch die kleinen Belohnungen mitnehmen, die Europa auf dem Weg dorthin ausgestreut hat?
Dass der Dialog mit dem iranischen Regime alternativlos sei, weil ansonsten nur die Androhung militärischer Zwangsmittel bliebe, ist ein gerne gehegter Mythos der europäischen Außenpolitik. Er wird jedenfalls auch in naher Zukunft nicht mehr zu widerlegen sein. Denn seit auch den Deutschen und Franzosen klar ist, dass die iranische Führung Bombe meint, wenn sie Bombe sagt, will man die ganze vertrackte Angelegenheit nur noch loswerden. Man sei willens, erklärten die Außenminister der EU-3 am Wochenende in Berlin, den Streit vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen.
Nur will man dort den Atomstreit gar nicht haben. Denn selbst, wenn sich gegen Russland und China eine Resolution erwirken ließe, bliebe weiterhin die Frage, wie diese im Notfall gegen den Willen des Irans in die Tat umgesetzt werden könnte. Während die USA derzeit kaum willens und in der Lage sind, derlei militärisch zu erzwingen, will man in Europa von Sanktionen bis dato gar nicht erst sprechen. Denn zumindest wirtschaftlich war der »Dialog« mit dem Iran ein voller Erfolg – seit amerikanische Firmen aus dem Geschäft sind.
Schon melden sich die ersten Stimmen, die ein Festhalten am Dialog fordern. Angelika Beer von den Grünen, laut Briefkopf »Präsidentin der Iran-Delegation« des Europa-Parlaments, forderte angesichts des EU-3-Treffens, »den Weg der verbalen Eskalation zu beenden«. Und weiter: »Das Fenster der Diplomatie darf nicht endgültig zugeschlagen werden«, »das Tischtuch« nicht »zerrissen«. Ein Abbruch der Gespräche führe »in eine Einbahnstraße«.
Etwas nüchterner fasst Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, die europäische Option zusammen: »Europa sollte Iran weit reichende Formen der Zusammenarbeit in Aussicht stellen«, erklärte er im Handelsblatt. Man müsse Irans Rolle als »Mittelmacht« im Nahen Osten anerkennen.
Die Voraussetzung dafür, da sind sich Beer und Perthes einig, kann nur von »den Amerikanern« geschaffen werden. Sie besteht in einer »direkten oder indirekten Sicherheitsgarantie für Iran«, also für die Mullahs, nicht Gegenstand eines regime change zu werden. »Wenn Teile der iranischen Elite nachdenken darüber, ob man nicht doch eine Option zumindest haben will, das Atom auch militärisch zu nutzen«, erläuterte Perthes im Deutschlandfunk, »dann machen sie das nicht wegen Israel, das machen sie nicht wegen Europa, denn von uns fühlen sie sich schon gar nicht bedroht, sondern das machen sie, weil sie sich umrundet fühlen von amerikanischen Truppen.« Er rege daher eine »Euratomisierung« an, was bedeutet, dass der Iran seine atomare Forschung im Verbund mit Europa weiter betreibt. Eine »zauberhafte Idee«, befand die Moderatorin. Und das ist es in der Tat. Das Problem mit dem iranischen Atomprogramm wäre gelöst, und auch die deutsche Atomindustrie könnte noch etwas verdienen. Aber was meint Angelika Beer dazu? »Im Grunde genommen hätten die Europäer, wenn sie es richtig ernst gemeint hätten, das, was die Russen jetzt vorschlagen, selbst vorschlagen können: Sie hätten garantieren können, dass der Iran genügend Brennstoffe bekommt.« Zauberhaft.
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