Der von der Hizbollah unterhaltene Fernsehsender al-Manar bleibt in Europa einflussreich. von daniel kilpert
Die meisten islamistischen Organisationen verfügen über eigene Zeitungen und Radiostationen. Die vom Iran gesteuerte Terror-Miliz Hizbollah besitzt mit der TV-Station al-Manar ein einzigartiges Propagandainstrument, das sieben Tage die Woche und 24 Stunden täglich eine große Auswahl an Nachrichten, Kommentaren und Entertainment bietet. Ihre Direktiven erhält sie direkt aus dem Büro des Hizbollah-Generalsekretärs, Sayyid Hasan Nasrallah. Die meisten Mitarbeiter sind ehemalige Kämpfer. Al-Manar (auf deutsch: »der Leuchtturm«) glorifiziert Selbstmordanschläge, ruft zum Jihad auf und verbreitet Antisemitismus der extremsten Sorte.
Mittlerweile haben die europäischen und amerikanischen Satellitenanbieter al-Manar zwar aus dem Programm genommen. Zwei Anbieter übertragen den Sender jedoch weiterhin: Arabsat mit Sitz in Saudi-Arabien und Nilesat, bei dem die ägyptische Regierung der Mehrheitsanteilnehmer ist. Damit ist al-Manar in Europa – anders als in Amerika, Asien, Australien und weiten Teilen Afrikas – auch weiterhin zu empfangen. Dem Landesverfassungsschutzamt Baden-Württemberg zufolge spielt der Sender hierzulande durchaus eine Rolle: Zur pro-palästinensischen Demonstrationen im April 2002 wurde von al-Manar aufgerufen; so wurden mehr als 10 000 Menschen auf die Straße gebracht. Und sogar in einigen Berliner Nobelhotels braucht der Gast nicht auf die Hetze von al-Manar zu verzichten: Unter anderem das Radisson SAS in Berlin-Mitte empfängt den Sender.
Avi Jorisch vom Washington Institute for Near East Policy bezeichnet al-Manar als »eine operative Waffe in der Hand einer der gefährlichsten terroristischen Organisationen der Welt«. Seinen Sitz hat der 1991 gegründete Sender in einer von Schiiten bewohnten Gegend in einem Vorort von Beirut, der stark von der Hizbollah geprägt ist. Vor der TV-Station stehen bewaffnete Sicherheitskräfte der Hizbollah. Das Archiv des Senders ist aus Angst vor israelischen oder amerikanischen Angriffen im Kellergeschoss untergebracht. Nach Auskunft des Landesverfassungsschutzamtes Baden-Württemberg zählt al-Manar »zu den beliebtesten Fernsehsendern unter Arabern weltweit«. Schätzungen zufolge gehört al-Manar zu den fünf wichtigsten Fernsehstationen in der arabischen Welt und erreicht zehn Millionen Zuschauer täglich.
Mitarbeitern des Senders zufolge, die von Avi Jorisch für sein Buch »Beacon of Hatred. Inside al-Manar Hizbullah Television« interviewt wurden, ist al-Manar dazu da, »Menschen auf den Weg zu helfen, das zu verüben, was im Westen im allgemeinen als Selbstmordattentat bezeichnet wird«. Der Sender verfügt über direkte Kontakte zu praktisch allen militanten islamistischen Gruppen und hilft ihnen durch Exklusiv-Interviews und Hintergrundberichte bei der Rekrutierung und Imagepflege. So geben palästinensische Terrorgruppen ihre Kommandoerklärungen bevorzugt an al-Manar, der ständige Korrespondent im Gaza-Streifen etwa hat enge Verbindungen zum Islamischen Jihad und schreibt auch für deren Zeitungen. Typisch sind Interviews wie ein im September vergangenen Jahres ausgestrahltes Gespräch mit dem verurteilten Islamisten Ahmad Rami, Leiter des Radio Islam in Schweden, der auf al-Manar unter anderem erklärte, die Juden hätten die USA, Frankreich und den gesamten Westen okkupiert. Außerdem gelte der wahre Kampf des Islam den Juden, da das Judentum keine Religion, sondern eine kriminelle und gefährliche Mafia sei.
Berühmt und berüchtigt wurde al-Manar vor allem durch die Berichterstattung über den Kampf der Hizbollah gegen Israel im Südlibanon. Damals waren Kamerateams direkt mit Hizbollah-Terroristen unterwegs und oft auch schon im Vorfeld von Attacken am Schauplatz. Al-Manar hoffte, dass Israelis den Tod ihrer eigenen Soldaten in Echtzeit am Fernsehschirm verfolgen könnten. Zu diesem Zweck gab es sogar Sendungen auf Hebräisch. Alle hebräischsprachigen Mitarbeiter von al-Manar sind ehemalige Hizbollah-Kämpfer, die in israelischen Gefängnissen die Sprache erlernt haben. Die Hizbollah brüstet sich heute mit der Behauptung, die Sendungen hätten eine wichtige Rolle beim Rückzug Israels aus dem Südlibanon gespielt. Mit dem Irak-Krieg fand al-Manar neben dem Kampf gegen Israel ein neues Hauptthema: den »Widerstand gegen den großen Satan USA«.
Neben den Nachrichten gibt es viele selbst produzierte Sendungen. Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan wurde auf al-Manar eine antisemitische Serie ausgestrahlt, die an die »Protokolle der Weisen von Zion« angelehnt ist und behauptet, die Juden hätten einen geheimen Plan zur Weltbeherrschung. In einer Episode wird ein jüdischer Ritualmord an einem christlichen Kind dargestellt, der dazu diene, »aus seinem Blut Matzen für Pessach zu backen«. Al-Manar war es auch, der nach dem 11. September behauptete, die Anschläge seien in Wirklichkeit »von den Juden, Israel und dem Mossad« begangen worden und 4 000 Juden hätten überlebt, da sie gewarnt worden seien. Für die Propaganda besonders wichtig sind auch die Musikclips, in denen Terroristen als Märtyrer gefeiert werden. Für die Kleinsten gibt es ein eigenes Kinderprogramm mit Zeichentrickfilmen und Spielen, die dazu ermuntern, Selbstmordattentäter zu werden.
In Frankreich zwang die Aufsichtsbehörde im Dezember 2004 nach einem Regierungsbeschluss den Satellitenanbieter Eutelsat, die Ausstrahlung von al-Manar einzustellen. Spanien und Holland folgten dem französischen Beispiel, mittlerweile haben sieben Satellitenanbieter al-Manar aus dem Programm genommen. Kurz nach dem französischen Verbot setzte der US-amerikanische Senat al-Manar auf die Anti-Terror-Liste. Nun können Mitarbeiter des Senders nicht mehr in die USA einreisen oder können ausgewiesen werden.
Kritik an der Entscheidung kam von der Organisation Reporter ohne Grenzen. In einer Erklärung schrieben sie: »Auch wenn einige (sic!) der antisemitischen Äußerungen, die von al-Manar gesendet wurden, unentschuldbar sind, so bereitet es uns Sorgen, diesen Fernsehsender in dieselbe Kategorie wie Terroristengruppen einzuordnen.« Der Internationale Journalistenverband (IFJ), dem in Deutschland mit den in verdi zusammengeschlossenen Journalisten und dem Deutschen Journalistenverband die beiden größten Berufsorganisationen angehören, verurteilte das französische Vorgehen als »Zensur«. Es gäbe bald keine Fernsehsender mehr, wenn diese jedes Mal geschlossen würden, wenn in einem Sender »anstößige und inakzeptable Äußerungen« gemacht werden.
Auf dem Sender hatte auch die Deutsche Telekom über ihre im Libanon tätige Tochterfirma Fal Dete Telecommunications geworben, wie der Spiegel in einer Notiz Mitte November 2005 meldete. Und finanzierte den Sender so indirekt mit. Die Konzernzentrale zeigte sich zwar schockiert, kündigte aber nur zaghaft eventuelle Konsequenzen an. Wenn dies noch einmal passiere, müsse man eben darüber nachdenken, sich von der betreffenden Firma zu trennen. Erst vor etwa drei Jahren stoppten die meisten transnationalen Unternehmen, darunter Pepsi, Coca-Cola, Milka und Maggi, ihre Werbung, als ihnen bekannt wurde, in welches Umfeld sie da geraten waren. Die Telekom sollte so eigentlich nicht mehr auf den Wiederholungsfall warten müssen, um Konsequenzen zu ziehen.
jungle-world.com
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