Ex-Außenminister attackiert Parteichef Bütikofer und stimmt gegen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
von Carsten Fiedler und Joachim Peter
Auch die Grünen-Abgeordneten Ströbele, Künast und Kuhn traf der Zorn Joschka Fischers
Berlin - Die Entscheidung über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der BND-Affäre hat bei den Grünen zu einem Eklat geführt. Ex-Außenminister Joschka Fischer warf Parteichef Reinhard Bütikofer in der Fraktionssitzung ein Übermaß an "Opportunismus" vor. Er bezog sich dabei auf eine Äußerung Bütikofers am Tag zuvor vor Journalisten. Der Grünen-Chef hatte erklärt, "nach aller Lebenserfahrung" könne man davon ausgehen, daß Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und Fischer "plausible Zeugen" eines solchen Ausschusses sein würden.
Bei der Abstimmung über die Einrichtung des Ausschusses stimmte Fischer als einziges Fraktionsmitglied mit Nein. Zuvor hatte er in einer 15minütigen Rede dargelegt, daß die Vorwürfe auch mit anderen Mitteln geklärt werden könnten. Er habe zwar Verständnis für die Forderung der Fraktion nach Aufklärung; ein Untersuchungsausschuß sei aber "erstens ein Kampfinstrument, zweitens ein Kampfinstrument und drittens ein Kampfinstrument", um die rot-grüne Außenpolitik vorzuführen. Fraktionschef Fritz Kuhn widersprach: Ein U-Ausschuß sei sehr wohl das richtige Instrument zur Aufklärung. Auch Bütikofer wies die Vorwürfe Fischers scharf zurück. Er habe in den letzten Tagen nichts anderes getan, als dem Versuch der Delegitimierung von Rot-Grün entgegenzuwirken. Teilnehmer der Fraktionssitzung sprachen von einem "Zerwürfnis" zwischen Fischer und Bütikofer.
Trotz dieser Turbulenzen steht der Einsetzung des Untersuchungsausschusses formal nichts mehr im Weg: Neben Grünen und Linkspartei stimmte gestern auch die FDP-Fraktion für die Einsetzung eines solchen Gremiums. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt kündigte an, der Ausschuß werde sich nicht auf die Frage der BND-Aktivitäten im Irak beschränken. Es müsse geklärt werden, ob die rot-grüne Bundesregierung stets rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten habe. Dabei gehe es nicht um eine Beschädigung des BND, sondern "um die Frage der politischen Führung". FDP-Innenexperte Max Stadler sprach von einem "Grauzonenuntersuchungsausschuß". Der Bundesregierung warf er vor, keinen "rechtsstaatlichen Kompaß" gehabt zu haben. So sei beispielsweise zu hinterfragen, warum der Generalbundesanwalt nichts von den Verhören im Ausland Inhaftierter gewußt habe.
Einig ist sich die Opposition darüber, daß neben den Irak-Operationen des BND auch die geheimen CIA-Flüge und die Verschleppung des deutschen Staatsbürgers el-Masri sowie Verhöre durch deutsche Beamte in Guantánamo und Syrien aufgeklärt werden müssen. Als wahrscheinlich gilt, daß neben Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der zur Zeit der Vorwürfe als Kanzleramtschef für die Geheimdienste zuständig war, weitere führende Mitglieder der rot-grünen Regierung als Zeugen gehört werden. Alle Oppositionsfraktionen erklärten, man werde noch in dieser Woche Gespräche über die Formulierung des Untersuchungsauftrags aufnehmen. Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi sagte, bis Ende Januar solle der gemeinsame Antrag für die Einsetzung des Ausschusses vorliegen. Der Ausschußvorsitz fällt nach den parlamentarischen Regeln der Union zu.
Die BND-Affäre wird heute erneut Thema in mehreren Bundestagsausschüssen und im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) sein. In dem geheimen Ausschuß werden die beiden BND-Agenten, die während des Irak-Krieges in Bagdad geblieben waren, gehört. Für Freitag ist eine 90 minütige Debatte im Bundestag angesetzt.
welt.de
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