Warum nur gibt es in Tschetschenien so viele »Schwarze Witwen«? Einige Thesen von Klaus Thörner
In der Geschichte der zahlreichen kaukasischen Kriege der vergangenen Jahrhunderte gab es nicht einen Fall, in dem sich ein Tschetschene oder gar eine Tschetschenin mit Sprengstoff umgürtet in die Luft gesprengt hätte. Selbstmord galt als Schande, und Frauen beteiligten sich grundsätzlich nicht an Kriegen. Schon dass eine Frau Rache nimmt, war in Tschetschenien die große Ausnahme und kam nur in Frage, wenn kein Mann der Familie mehr dazu in der Lage war. Mittlerweile jedoch werden Frauen als Selbstmordattentäterinnen angeworben oder zu solchen Zwecken auch verkauft. Der Präzedenzfall des islamistisch motivierten Selbstmordanschlages einer Frau im neuen Jahrtausend wurde nicht, wie zu vermuten wäre, von einer Palästinenserin in Israel verübt. Die erste »Schwarze Witwe«, die 17jährige Schülerin Chawa Barajewa, steuerte am 6. Juni 2000 einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in eine Militärkommandantur der russischen Streitkräfte in Alchan Jurt in Tschetschenien.
In Israel stehen den sieben Frauen, die bisher von der Hamas, dem Islamischen Jihad und den Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden auf tödliche Mission entsandt wurden, unzählige Männer gegenüber. Tschetschenische Männer aber sprengen sich in der Regel nicht in die Luft. Sie hängen zu sehr an ihrem Leben. Deswegen starben in Tschetschenien bis heute fast ausschließlich Frauen bei Selbstmordanschlägen – insgesamt rund 40. Eine weitere signifikante Differenz ist, dass palästinensische Frauen die Explosionen stets selbst auslösten, während die tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen in Russland oft aus der Ferne in die Luft gesprengt werden.
Frauen gesucht
Tschetschenische Frauen spielten in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg im öffentlichen Leben ihrer Region eine wichtige Rolle. Viele von ihnen waren ins berufliche, politische, wirtschaftliche und soziale Leben des Landes integriert; sie arbeiteten als Ärztinnen, Schuldirektorinnen, Dozentinnen, als höhere Angestellte in der Verwaltung oder bekleideten politische Führungspositionen auf lokaler Ebene. Einen Schleierzwang gab es nicht.
Doch infolge der ökonomischen Krise, des Separatismus, des Kriegs und der Ausbreitung des Islamismus wurden die Frauen wieder ins traditionelle Rollenkorsett gedrängt. Schnell stieg die Anzahl der im Alter von 13 oder 14 Jahren verheirateten Mädchen an. Eine weitere wiederbelebte Tradition ist das Kidnappen von Bräuten. Sie erlaubt es einem tschetschenischen Mann, die Braut seiner Wahl gefangen zu nehmen und zur Heirat in seinen Clan mitzunehmen. Der Kidnapper kann Streitigkeiten mit der Familie der Braut durch Cash oder mit Gewalt regeln.
Selbstmordanschläge sind ein neues Phänomen in Tschetschenien. Noch während des ersten Tschetschenien-Kriegs gab es keine suicide attacks. Doch seit Beginn des zweiten Krieges im Herbst 1999 waren weibliche suicide bomber an mindestens 15 Attentaten und brutalen Geiselnahmen beteiligt. Innerhalb von zehn Monaten, vom Oktober 2002 bis Juli 2003, forderten Anschläge von »schwarzen Witwen« 246 Todesopfer. Die Zahl der Opfer der Geiselnahme im Moskauer Musicaltheater nach dem russischen Betäubungsgaseinsatz (129 Tote) ist in dieser Bilanz nicht enthalten.
Aus keinem Land der Welt kamen bisher so viele weibliche »Selbstmord«-Attentäterinnen wie aus Tschetschenien. Viele von ihnen wurden unfreiwillig »schwarze Witwen«. Mit Erpressung und Entführung, durch sexuelle Gewalt und Psychopharmaka werden tschetschenische Frauen zum suicide bombing gedrängt oder gezwungen, wie Julia Jusik in ihrem Buch »Die Bräute Allahs. Selbstmordattentäterinnen aus Tschetschenien« schreibt.
Den ideologischen Hintergrund dieses Terrors bildet der Wahhabismus, die in Saudi-Arabien geprägte, fundamentalistische Form des sunnitischen Islam. Verschärfend hinzu kommen nach Ansicht von Sabine Adler (»Ich sollte als Schwarze Witwe sterben. Die Geschichte der Raissa und ihrer toten Schwestern«) die in Tschetschenien nach dem Ende des Realsozialismus wieder verbreiteten archaischen kaukasischen Bräuche, wie »kanly«, die Blutrache, und »Adat«, das Gewohnheitsrecht, das Frauen weitgehend entrechtet.
Mit dem Zufluss saudischen Geldes, der Hauptfinanzierungsquelle der tschetschenischen Separatisten, gewann die »wahhabitische« Form des Islam in Tschetschenien einen zuvor nie gekannten Einfluss. Die tschetschenischen Terrorgruppen übernahmen die Methode von al-Qaida und Hamas, Geld über angebliche Hilfsorganisationen zu sammeln. Große Geldströme sind nicht nur aus den Golfstaaten, sondern auch aus Europa und Nordamerika belegt. Auch die Muslimbruderschaft, eine Vorläufergruppe von al-Qaida und Hamas, eröffnete ein Büro in Grosny, über das Terrorgeld ins Land gebracht wurde.
Im September 1997 wohnten in Grosny mehr als 2 000 Menschen der ersten öffentlichen und nach islamischem Recht ausgesprochenen Hinrichtung bei. Von nun an wurden auch Todesurteile an Frauen vollstreckt, denen man »Ehebruch« vorwarf. Im November 1997 verabschiedete die Regierung einen Erlass, nach dem Frauen ihr Haar bedecken müssen, zudem wurde weiblichen Regierungsangestellten und Studentinnen befohlen, traditionelle islamische Kleidung zu tragen. Bühnenauftritte von Frauen wurden als unislamisch verboten und Frauen aus den öffentlichen Ämtern gedrängt.
Kurz nach dem Beginn des zweiten Krieges begannen die islamistischen Warlords, nach Frauen zu suchen, um sie als »lebende Bomben« einzusetzen. Es entwickelte sich neben der Zwangsprostitution eine neue Form des Frauenhandels. Zur bevorzugten Ware gehören Witwen oder geschiedene Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren sowie junge unverheiratete Frauen, deren Vater verstorben ist. »Vaterlose« unverheiratete junge Frauen sind in Tschetschenien »Freiwild«. Wenn ihre Brüder Kontakte zu Terrorgruppen haben, ist es für sie oft eine Frage der Ehre, die Schwestern zu opfern, um ihre Wertigkeit in den Terrororganisationen zu steigern.
Als Anwerberinnen beschäftigten die Wahhabiten meist ältere Frauen, die wussten, wo sich gerade eine Mutter, Schwester oder Ehefrau vor Gram verzehrte. Oft gehen die Anwerberinnen in Familien, in denen gerade ein Vater oder Sohn ermordet oder verschleppt wurde. Die Rekrutierung erfolgt fast immer nach dem gleichen Muster. Die junge Frau bekommt Besuch von der Anwerberin. Diese gibt sich als mildtätige Freundin aus, jederzeit bereit, Leid zu lindern und zu trösten.
Die Anwerberin kommt in Begleitung eines Mannes, der dem »Opfer« bekannt ist – für den Fall, dass Gewalt angewendet werden muss. Sie erklärt der Auserwählten, dass nun die Zeit gekommen sei, ihren Bruder oder Vater zu rächen. Manchmal werden auch Frauen angeworben, die in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen, weil sie vergewaltigt wurden oder vom Krieg traumatisiert sind. Die anschließende Trennung der Frau von ihrer Familie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ihre Erziehung zur »Schwarzen Witwe«. Einige Frauen wurden zur Terrorausbildung nach Baku gebracht. Dort und in anderen Ausbildungshäusern lebten mehrere Frauen, die auf den Tod vorbereitet wurden, samt ihren Betreuern. Eine Flucht war unmöglich. Weitere Ausbildungszentren gab es in Inguschetien, im Pankisi-Tal in Georgien und in Tschetschenien selbst.
Um die Frauen zu einem Suizidattentat zu bewegen oder zu zwingen, werden sie in den Ausbildungsstätten einer permanenten religiösen Indoktrinierung ausgesetzt. Nicht selten werden sie auch mit sexueller Gewalt gebrochen. So wächst bei einzelnen Frauen die Bereitschaft, ihr Leben für ein Befreiungs-, Erlösungs- oder Vernichtungsziel zu opfern. Wenn sich trotz all solcher Maßnahmen die nötigen Veränderungen im Bewusstsein der Frau nicht einstellen und sie den Selbstmordanschlag kategorisch ablehnt, beginnen die »Ausbilder« oft, Drogen und Psychopharmaka zu verabreichen. Bei Autopsien wurde festgestellt, dass viele tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen unter Drogen standen.
Eine Suicidebomberin, deren Anschlag scheiterte, berichtete, dass die Ausbilderin ihr immer wieder Orangensaft zu trinken gab, der sie schwindlig machte und Kopfschmerzen auslöste. Am letzten Tag flößte sie ihr eine noch größere Menge Saft ein und händigte ihr dann einen Rucksack mit Sprengstoff aus. Die »Schwarzen Witwen« führen ihren Bewachern oft den Haushalt, bekochen sie und müssen ihnen zu Diensten sein. Sobald die Stunde Null naht und die Frau zum Ort des Anschlags gebracht werden soll, wird ihr der Gürtel mit dem Sprengsatz umgehängt. Ein »Schahidengürtel« lässt sich nur schwer ablegen; oft gibt es einen Begleiter, der in der Nähe bleibt und die Frau aufmerksam beobachtet; er wird diese Versuche bemerken und den Sprengsatz per Funksignal zur Detonation bringen.
Frauen gefunden
Chawa Barajewa, die erste tschetschenische Selbstmordattentäterin, war die Cousine von Arbi Barajew, dem bis zu seinem Tod im Oktober 2000 bekanntesten Geiselnehmer des Landes. Bis 1998 lebte Chawa als Halbwaise bei ihrem Vater, trug normale Kleidung und galt als modernes Mädchen. Dann nahm sie Arbi Barajew in sein Haus. Aus Chawa machte er eine glühende Wahhabitin und bereitete sie darauf vor, Schahidin zu werden. Damit sie auf dem Weg ins Paradies nicht zauderte, gab er ihr Psychopharmaka. Barajew inszenierte ihren Tod wie in einem Drehbuch. Zunächst ließ er sie zu Hause filmen: Demütig auf einem Sofa sitzend las sie aus dem Koran vor und antwortete auf Fragen über den Sinn von Leben und Tod. Auch ihre Todesfahrt in einen russischen Militärposten wurde von der Beifahrerin, einer 16jährigen Freundin von Chawa, die ebenfalls ums Leben kam, bis zur Explosion gefilmt. Die tschetschenischen Warlords benötigen Körperteile und Videokassetten von Folterungen, Hinrichtungen und Anschlägen als Beweismittel, ohne die ihre arabischen Geldgeber das versprochene Geld nicht auszahlen.
Das zweite Selbstmordattentat einer »Schwarzen Witwe« wurde am 29. November 2001 auf eine russische Militärkommandantur verübt. Die Frau war von einem wahhabitischen Anwerber rekrutiert worden, kurz nachdem sie hatte mit ansehen müssen, wie russische Soldaten ihren Ehemann in Gefangenschaft ermordeten. Der Anwerber erhielt nach dem erfolgreichen Anschlag 200 000 Dollar von Bassajew. Die Familie der Frau bekam ihren abgerissenen Kopf. Bassajew zahlte für jede potenzielle Attentäterin, die rekrutiert werden konnte, mindestens 1 500 Dollar. Vielen Vätern oder Brüdern wurde Geld versprochen, wenn sie ihre Töchter oder Schwestern in das wahhabitische Kommando gäben. Damit die Patriarchen schneller einwilligten, versicherten ihnen die Anwerber, dass die Frauen wieder nach Hause zurückkehren würden.
In der wahhabitischen Gemeinschaft kommt es vor, sich eine Frau zu teilen, mit der Frau eines Freundes zu schlafen oder ihm die »eigene« zur Verfügung zu stellen. Dies wird mit der Formel bemäntelt: »Alle sind wir Brüder und Schwestern zueinander und sollen miteinander alles teilen.« Mädchen mit »einschlägiger Vergangenheit« sind jedoch von ihren »Brüdern« vollkommen abhängig. Sie haben keine Chance mehr, zu heiraten oder in ihre Familien zurückzukehren, mit ihrer »Schande« will sie dort keiner mehr haben. Sex vor der Ehe oder wechselnde Geschlechtspartner sind für eine tschetschenische Muslimin eine schwere Sünde oder tödliche Schmach.
Die bisher größte Aktion unter Beteiligung »Schwarzer Witwen« war die Geiselnahme während einer Musicalaufführung im Dubrowka-Theater in Moskau im Oktober 2002. Anführer des Kommandos war Mowsar Barajew, Neffe von Arbi Barajew. Unter den 41 Terroristen waren 19 von Kopf bis Fuß verschleierte und mit Sprengstoffgürteln verschnürte Frauen. Sie nahmen 900 Geiseln.
Die Ausbildung der Frauen fand in zwei tschetschenischen Dörfern statt. Sie wurden Tag und Nacht bewacht. Alle Schwarzen Witwen mussten zur Vorbereitung der Geiselnahme immer wieder Sprengstoffgürtel schnüren, doch bei der Aktion selbst wurden ihnen Gürtel ausgehändigt, die über Fernsteuerung zur Explosion zu bringen waren. Dies war eine Folge des gescheiterten Attentats von Sarema Inarkajewa in einer Polizeistation in Grosny. Sie war mit 16 von einem jungen Mann angesprochen worden. Ein paar Tage später ging sie mit in seine Wohnung. Dort traf sie auf drei weitere junge Frauen, die eingeschüchtert wirkten und später ermordet aufgefunden wurden, nachdem sie sich geweigert hatten, Selbstmordattentate auszuführen. Der Anwerber schlief mit der 16jährigen und gab ihr Tabletten, nach denen sie sich wie betäubt fühlte. Später machte er Sarema seinen »Brüdern« zum Geschenk. Er hatte viele »Brüder«. Sie wurde von ihnen reihum vergewaltigt.
Dennoch wollte sie nicht sterben. Um ihren Willen zu brechen, gaben die Männer ihr immer wieder Drogen. Eines Tages kam der Marschbefehl. Sarema erhielt eine Tasche mit unbekanntem Inhalt. Der Anwerber und seine »Brüder« setzten sich mit ihr ins Auto und fuhren vor das Polizeikommissariat von Grosny. Sie gaben ihr den Auftrag hineinzugehen, nach dem Chef zu fragen und ihm die Tasche zu übergeben. Doch sie ahnte ihre tödliche Mission. Außer Sichtweite ihrer Begleiter setzte sie die Tasche im Flur ab und entfernte sich rasch. Sie hatte nur wenige Schritte gemacht, als die Bombe vom Auto aus ferngezündet wurde. Sarema überlebte schwer verletzt.
Seit diesem misslungenen Anschlag kommen kaum noch Taschen zum Einsatz, sondern Gürtel. Sobald ein Störfaktor auftritt, der die Aktion gefährden könnte, wählt der »Begleiter« die Tastenkombination und sprengt die lebende Bombe in die Luft. In den Sprengladungen sind ferngesteuerte Zünder montiert, die von einem Mobiltelefon aus aktiviert werden können.
Im Dubrowka-Theater starben mindestens 14 der an der Geiselnahme beteiligten Frauen. Mowsar Barajew hatte ihnen zuvor erklärt, dass das Unternehmen anspruchsvoll und schwierig würde, aber stets betont, dass ihnen nichts passieren könne. Alle hatten Rückfahrkarten erhalten. Sie gingen davon aus, in zehn Tagen wieder in Tschetschenien zu sein. Für die Teilnahme wurde den Frauen Geld und die Übersiedlung ins Ausland versprochen.
Frauen gesprengt
Der Vater einer der Geiselnehmerinnen war ein Mitglied der wahhabitischen Gruppen. Als er versuchte, sich von seiner illegalen Vergangenheit zu lösen, musste er mit seiner Tochter bezahlen. Sie wurde in Baku mit einem Wahhabiten verheiratet und für die Moskauer Geiselnahme ausgebildet. Die Anwerberinnen, die Honorare erhielten, waren selbst nicht an der Geiselnahme beteiligt. Eine von ihnen fuhr durch Tschetschenien und nahm junge Frauen aus ihren Elternhäusern mit. Den Eltern versprach sie, dass sie die Töchter wieder nach Hause zurückbringe.
Die Mutter von zwei weiteren Schwarzen Witwen, die bei der Geiselnahme im Dubrowka-Theater umkamen, erhielt in Baku ein Honorar von mehreren 10 000 Dollar. Ihre Töchter waren mit 26 und 28 Jahren noch nicht verheiratet, für eine tschetschenische Familie eine Schande. Beide waren krank, eine psychisch, die andere mit chronischen Lungenbeschwerden. Als eine wahhabitische Gang sie aufspürte, wurden sie mit je einem Mitglied verheiratet. Die lungenkranke Schwester stimmte der Teilnahme an der Geiselnahme des Geldes wegen zu, mit dem sie eine Auswanderung in die Türkei oder nach Aserbaidschan zu realisieren hoffte. Beide Schwestern waren während der Geiselnahme schwanger.
Sicher kann auch der Rachegedanke bei einigen Frauen ein individueller Motivationsgrund ihrer Tat sein. Dafür spricht das Beispiel einer anderen der Geiselnehmerinnen von Moskau. Ihre Brüder hatten sich den Wahhabiten angeschlossen. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt als Anwerber und durch das Geschäft mit russischen Geiseln. Als Medina, eine ihrer Schwestern, ins entsprechende Alter kam, wurde sie mit einem ihr unbekannten Mann verheiratet. Während ihrer Hochzeit wurde bekannt, dass der beste Freund des Ehemanns von russischen Soldaten getötet worden war. Nachdem die Leiche freigekauft und beerdigt war, übertrugen die Männer des Clans Medinas Ehemann die Aufgabe, russische Soldaten in dem Camp zu töten, aus dem die Leiche freigekauft wurde. Er drang nachts in das Lager ein, warf eine Brandbombe in ein Zelt und tötete mehrere russische Soldaten. Selbst verletzt, konnte er jedoch nicht mehr fliehen und wurde gefangen genommen.
Medina wurde in das russische Camp gebracht und musste mit ansehen, wie ihr Ehemann bei lebendigem Leib in einer Grube verbrannt wurde. Danach war es für ihre Brüder leicht, sie als Selbstmordattentäterin anzuwerben. Ihre jüngere Schwester Hejda, die sich nicht von ihr trennen wollte, starb mit Medina durch den russischen Giftgaseinsatz bei der Geiselnahme im Theater. Das Rachemotiv kann dennoch keine hinreichende Erklärung für die Selbstmordattentate sein, denn sonst müssten vor allem Männer unter den Attentätern sein – in Tschetschenien sind sie ja traditionell für Racheakte zuständig.
Die tschetschenischen Jihadisten stellten das suicide bombing von Frauen auch nach der gescheiterten Geiselnahme in Moskau nicht ein. Auf dem Rockfestival in Tuschino bei Moskau explodierten im Juli 2003 zwei tschetschenische Frauen. Sie rissen 16 Menschen mit in den Tod. Im Februar 2004 ereignete sich ein heute längst vergessener Präzedenzfall für die suicide attacks in der Londoner U-Bahn. Bei einem wohl von einer Frau verübten Attentat starben in der Moskauer Metrostation »Awtosawodskaja« nach offiziellen Angaben 50 Menschen.
Auch die Flugzeuge, die im August 2004 von Moskau nach Wolgograd und Sotschi starteten, wurden von zwei tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen gesprengt. 90 Menschen starben dabei. Russische Sicherheitsbeamte vermuten, dass die beiden Frauen die Detonation nicht selbst auslösten, sondern dass ihre Sprengstoffgürtel ferngezündet wurden. Kurz darauf forderte das suicide bombing einer Tschetschenin an einer weiteren Moskauer Metrostation zehn Opfer.
Nur einen Tag später stürmten tschetschenische Terroristen eine Schule in Beslan in der russischen Republik Ossetien und nahmen 1 200 Geiseln, darunter 700 Kinder. Unter den 32 Geiselnehmern, die sich im Kern aus der Leibwache Bassajews rekrutierten, befanden sich mindestens zwei schwarz verschleierte Frauen. Überlebende erzählen, dass die Terroristinnen bestürzt waren über die vielen gefangen genommenen Kinder und dafür plädierten, sie leben zu lassen. Daraufhin wurden sie von den männlichen Befehlshabern durch die Fernzündung ihrer Sprengstoffgürtel getötet.
Eine längere Version des Textes mit Quellenangaben findet sich unter:
Der heimliche Orientalismus Deutschlands,durchleuchtet von Fred Alan Medforth
Wednesday, January 25, 2006
Von wegen Selbstmord
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