Der Krieg Israels gegen die Hizbollah ist für die Rechtsextremen ein willkommener Anlass, ihren Hass auf Juden auszuleben. von jan langehein
Eine Mischung aus Überraschung und Bestätigung dürfte der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, empfunden haben, als er kürzlich zusammen mit einigen Kameraden in Verden von der Polizei festgenommen wurde. Er hatte an einer Kundgebung unter dem Motto »Nein zu Multikulti« teilgenommen und danach, weil gerade der Krieg Israels gegen die Hizbollah begonnen hatte und die Gelegenheit günstig schien, einen Sprechchor angestimmt: »Israel – internationale Völkermordzentrale!« Das brachte ihm den Vorwurf der Volksverhetzung ein.
Überrascht haben dürfte ihn die Festnahme, weil die Rede von der Völkermordzentrale, wahlweise auch mit den USA als Bösewicht, seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire linker, antiimperialistischer Demonstrationen gehört, ohne dass dies in aller Regel juristische Konsequenzen nach sich ziehen würde. Und bestätigt gefühlt haben dürfte er sich, weil im Weltbild aller Nachkriegsnazis die Bundesrepublik kein im eigentlichen Sinne »deutscher Staat« ist, sondern ein Vasall der »jüdisch beherrschten« Weltmacht USA, des »judäo-amerikanischen Imperiums«, wie der ehemalige Chefideologe der NPD, Horst Mahler, sagt. Als Voigt abgeführt wurde, gab er sich folgerichtig entrüstet. »In der BRD werden jetzt wohl alle Menschen eingesperrt, die gegen die Kriegstätigkeiten des Staates Israel protestieren«, sagte er.
Als triebe die NPD nichts anderes um als die Sorge um die libanesische Bevölkerung, ruft der Pressesprecher der NPD, Klaus Beier, die Deutschen auf, nicht der »Systempresse« zu vertrauen, sondern sich lieber aus neutralen Medien zu informieren: »Tausende Zivilisten werden von Israelis im Libanon verwundet oder getötet. Die Infrastruktur Beiruts wird zerstört. Bilder davon kommen in den deutschen Medien kaum vor. Der blinde Hass der israelischen Soldaten und ihre Terrorangriffe werden verniedlicht.« »Unzensiert« könne man die Wahrheit über den israelischen Krieg aber auf arabischen Seiten im »Weltnetz« erfahren, meinte er weiter. Dort könne man sich ein »objektives Bild« über die »israelischen Kriegsverbrechen« machen.
Wie für deutsche Nazis ein »objektives Bild« israelischer Politik und Kriegsführung aussieht, lässt sich unter anderem bei erwähntem Horst Mahler nachlesen. Er griff in einem offenen Brief an Daniel Goldhagen auf religiöse Mythen zurück und brachte in einem einzigen Satz vom christlichen Antijudaismus bis zum Antizionismus in modernster Form alles unter, was Juden an Ressentiments so treffen kann: »Wie kann ein Gott irgendwelchen Landräubern, die sich ihm als Völkermörder andienen, massenhaft Menschen zur Schlachtung hingeben? Ist nur der Mensch, der zu Jahwe betet – und sind die anderen nur Schlachtvieh, die um ihres anderen Glaubens willen einen grausamen Tod sterben müssen?«
Selbstverständlich geht es weder Beier noch Mahler um die Opfer unter der libanesischen Zivilbevölkerung oder um andere, die bei Kämpfen mit den Israelis sterben; es geht ihnen darum, ihren Hass auf Israel und die Juden auszuleben. Jedes Mal, wenn Israel im Nahen Osten gewaltsam gegen seine Feinde vorgeht, schlägt die Stunde der antizionistischen Propaganda, und im Antizionismus ist der Antisemitismus, wie Jean Améry einmal schrieb, enthalten wie das Gewitter in der Wolke.
Der konkrete israelische Angriff und möglicherweise unschuldige Opfer sind den Antizionisten nicht der Grund, Israel zu kritisieren, sie dienen nur als Mittel, den vorgeblich mörderischen, imperialistischen Charakter des jüdischen Staates in möglichst grellen Farben zu illustrieren. Nach Auschwitz ist der Hass auf Israel zur am häufigsten anzutreffenden Spielart des modernen Antisemitismus geworden.
Weil offene Hetze gegen Juden nach dem Holocaust diskreditiert ist, projizieren die Antizionisten ihre Ressentiments nicht mehr unmittelbar auf die Juden selbst, sondern auf deren Staat. Israel wird zum »Juden unter den Staaten« gemacht. In der Praxis verschwimmt die Differenz zwischen »Jude« und »Zionist«, die Antizionisten in der Theorie noch vornehmen mögen. Jeder Jude ist in ihren Augen Zionist, solange er nicht als antizionistischer Agitator durch die Welt läuft.
So beteiligten sich deutsche Linksradikale bei der Flugzeugentführung von Entebbe im Jahr 1976 auch daran, die jüdischen Passagiere von nicht jüdischen zu selektieren und zu Kombattanten zu erklären, während sie gleichzeitig jeden Vorwurf des Antisemitismus weit von sich weisen würden.
Mögen sich linke Antiimperialisten nicht einmal bewusst sein, dass ihre »Israelkritik« einen letztlich antisemitischen Charakter hat, wissen die Neonazis das sehr wohl. Ihnen dient Israel als Chiffre: Die Adressaten wissen, um wen es eigentlich geht, wenn die NPD gegen Israel hetzt, gleichzeitig lässt sich eine Anklage gegen Volksverhetzung umgehen, wenn man das Wort »Jude« nicht in den Mund nimmt – die oben erwähnte Ausnahme bestätigt die Regel.
Den Hass auf die Juden auch auf ihren Staat anzuwenden, ist obendrein schon ein sehr altes Propagandainstrument der Nazis – viel älter noch als Israel selbst. Bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts agitierte die NSDAP gegen die junge Staatsgründungsbewegung der Zionisten. Klassisch antisemitisch hieß es schon im Jahr 1921 bei Alfred Rosenberg: »Zionismus ist ein Mittel für ehrgeizige Spekulanten, sich ein neues Aufmarschgebiet für Weltbewucherung zu schaffen.« Und Adolf Hitler schrieb in »Mein Kampf«, die Juden dächten gar nicht daran, in Palästina einen jüdischen Staat aufzubauen, »sie wünschen nur eine mit eigenen Hoheitsrechten ausgestattete Organisationszentrale ihrer internationalen Weltgaunerei«.
Während des Zweiten Weltkriegs unterstützte die Reichsregierung den Kampf Amin al-Husseinis in Jerusalem und sein Ziel, die Zionisten ins Meer zu treiben. Heute lädt die iranische Regierung Horst Mahler zu einer Konferenz zum Thema Holocaust ein – außer Reichweite staatlicher Repressalien, die Deutschland ausübe, weil es unter zionistischer Herrschaft stehe.
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