Wednesday, March 04, 2015

Made in Germany

Der deutsche Staatsfunk, der den Anspruch erhebt, journalistische Qualität zu liefern, ist ein teurer und schlechter Witz. Die “Berichterstattung” exemplarisch des DLF rund um die jüngste Reise des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu in die USA ist ein Beleg für die wahnhafte Voreingenommenheit, die sich eine Journaille erlauben kann, die keine private Konkurrenz fürchten muß.
Während ausgeblendet wurde, daß selbst mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) die nicht eben israelfreundlichen Vereinten Nationen dem Regime der Islamischen Republik Iran mindestens Intransparenz vorwerfen und ernsthafte Zweifel an allein friedlichen Motiven hinter dessen Atomprogramm hegen, definierte der Kölner Deutschlandfunk sein Niveau beispielgebend so:
“Benjamin Netanjahu ist mal wieder so richtig sauer. Das liegt vielleicht daran, dass Israels Regierungschef ohnehin fast immer sauer auf irgendetwas ist.”
Damit macht der Staatsfunk den israelischen Ministerpräsidenten mit seinen Befürchtungen zur Witzfigur und verharmlost oder leugnet die nicht nur für Israel vom Regime in Teheran ausgehende Bedrohung. “Herr Mützenich”, begrüßt der Journaillist Dirk Müller seinen sozialdemokratischen Gesprächspartner Rolf Mützenich denn auch prompt, “warum nehmen wir Netanjahu nicht ernst?”
Es ist offenbar ein Riesenspaß, wenn das Regime in Teheran wieder und wieder bekräftigt, Israel mitsamt dessen Mehrheitsbevölkerung auslöschen zu wollen, vorher aber noch Wettbewerbe veranstaltet, in denen Opfer des Holocaust verhöhnt werden, und seine Schreckensherrschaft nach innen dadurch absichert, daß es Menschenrechtsaktivisten Anlaß gibt, über eine Rekordzahl von Hinrichtungen zu klagen.
Aber nein, es ist eben nicht die Barbarei der Islamischen Republik, für die sich der deutsche Staatsfunk interessiert, sondern ein Benjamin Netanjahu, dessen Haupteigenschaft offenbar ist, “fast immer sauer auf irgendetwas” zu sein. Wer das Journalismus nennt, kann dann auch an anderer Stelle beharrlich lügen desinformieren. Wer hat Benjamin Netanjahu in die USA eingeladen?
Wer lesen kann, könnte wissen, daß der Likud-Politiker von John Boehner, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, “on behalf of the bipartisan leadership of the U.S. House of Representatives and the U.S. Senate” gebeten wurde, im Kongreß über das iranische Kernwaffenprogramm zu sprechen. Wer dem DLF zuhört, erfährt, “der israelische Ministerpräsident hatte ohne Absprache mit dem Weißen Haus vor dem US-Kongress gesprochen – nur auf Einladung der Republikaner”.
Nahmen “wir Netnajahu” vorher “nicht ernst”, sind “wir” hinterher mit – na klar – Michael Lüders ernsthaft entsetzt und fragen fungieren als bloßer Stichwortgeber für den Lobbyisten: “War dieser Auftritt als solcher nicht schon eine Provokation?”“In der Tat! Es war ein sehr provozierender Auftritt”. Und weil das noch nicht reicht, redet er sich in Rage, der zwangsabgabenfinanzierte provozierte Reinhard Bieck:
“Nun hat Netanjahu bedauert, dass manche seinen Besuch im Kapitol parteipolitisch interpretierten. Aber ich bitte Sie, ein Regierungschef mitten im Wahlkampf, eingeladen von einer Partei, die dem eigenen Präsidenten jeden sich bietenden Knüppel zwischen die Beine wirft, ist das denn nicht Parteipolitik pur? Alles andere wäre doch naiv, oder?”
Formuliert so, wer bloß Bestätigung will oder tatsächlich eine Antwort? Michael Lüders jedenfalls langweilte ein wenig und wiederholte nur: “In der Tat!” Abwechslungsreicher immerhin ging es zu, als Christine Heuer, die den Reinhard Bieck einen “Kollegen” nennt, sich ihr “In der Tat!” von Shimon Stein erhoffte, früherem Botschafter Israels in Berlin. Doch der erlaubte sich – dies:
“[W]enn ich mir die Details [anschaue], die wir wissen [..], was rauskommt [..], dann muss ich sagen, viel, viel mehr muss getan werden in Sachen Verifizierung. Viel mehr muss auch getan werden, dass die Fähigkeiten [des Iran] massiv eingeschränkt werden.”
Zwar bezweifelt Shimon Stein, daß Benjamin Netanjahus Rede etwas bewirken könne, seine inhaltliche Zustimmung jedoch bringt die Deutsche aus der Fassung: “Sie stimmen, Herr Stein, Benjamin Netanjahu dann in der Sache zu”? “Übrigens nicht nur ich!” Hätte eine Journalistin nun die Gelegenheit genutzt, über “die Sache” zu reden, bleibt die Journaillistin hartnäckig nur in einer Frage:
“Herr Stein, ich lasse Sie aus der Wahlfrage noch nicht ganz heraus. Die Wähler entscheiden, sagen Sie. Sie sind auch ein Wähler. Wünschen Sie sich einen neuen, einen anderen Ministerpräsidenten?”
Da – endlich! – antwortet der Befragte wie gewünscht: “Selbstverständlich!” Und so markiert dieser Schluß überaus anschaulich, worum es den Deutschlandfunkern nicht geht: um Informationen. Ihr Metier ist so sinn- wie besinnungsloses Eindreschen auf Benjamin Netanjahu und dessen Anliegen, dem sie nicht einmal den Hauch einer Berechtigung einzuräumen bereit sind. Kritischer Journalismus eben.
 tw24

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