Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Molenbeeks ist muslimisch, ein
Viertel stammt – wie die Attentäter – aus Marokko. „Wissen Sie, hier in
Molenbeek gibt es mehr verschleierte Frauen als in Casablanca“, sagt
einer der Bewohner dem Reporter des französischen Nachrichtenportals „Atlantico“.
Dieser schreibt, das sei „sicherlich eine Übetreibung“, muss allerdings
selbst zugeben: „Wenn man sich in den Strassen dieses Aussenbezirks von
Brüssel mit seinen knapp 96.000 Einwohnern bewegt, beschleicht einen
ein bizarrer Eindruck. Nicht nur, weil man glaubt, nicht im Königreich
Belgien zu sein, sondern auch, weil eine drückende Atmosphäre herrscht.“
Auswärtige Reporter entdecken Molenbeek erst jetzt. Diejenigen, die
dort leben müssen, klagen schon lange über die dortigen Zustände. Der
folgende Abschnitt stammt aus einer Reportage des belgischen
Wochenmagazins „Le Vif L’Express“ von 2011:
„Einsturzgefährdete Gebäude, Strassenecken, die zu Mülldeponien
umfunktioniert sind, ein abgestelltes Auto rostet auf einem Parkplatz
vor sich hin: Hier täte Stadterneuerung not. ‚Dies ist ein
Ganovenviertel. Hier wird man wegen fünf Euro zusammengeschlagen’, sagt
Karim. Der Händler ist nicht glücklich. Er erzählt, wie er kürzlich mit
dem Messer in der Hand einen Teenager verfolgt hat, der ‚Kippen geklaut’
habe. Die Szene ereignete sich nur wenige Schritte von der
U-Bahn-Station Ribaucourt entfernt. ‚Die Rue Piers ist um diese Uhrzeit
nicht sehr vertrauenerweckend’, sagt eine junge Frau, die sich nach 18
Uhr entweder nach Hause begleiten lässt oder ein Taxi nimmt. Seit drei
Jahren wohnt sie mit Freunden zusammen in einer Wohnung im Viertel. Die
Wohnung ist gross, und nicht zu teuer. ‚Aber ich bin auf der Hut’, sagt
sie. Vor allem dann, wenn sie einen Rock trägt. ‚Beleidigungen,
Anspucken, Betatschen: Ich kenne das.’ Andere Anwohner ziehen weg. ‚In
mein Haus wurde innerhalb eines Jahres zweimal eingebrochen’, sagt ein
Zeuge. ‚Wenn ich jetzt zum Supermarkt an der Ecke gehe, schliesse ich
zweimal ab und schalte den Alarm ein.’“
Zeugnisse einer Stadt in Angst. Die Verantwortung dafür trägt
Philippe Moureaux, Mitglied der Parti Socialiste und von 1992 bis 2012
Bürgermeister von Molenbeek. Mit den Klagen seiner Bürger konfrontiert,
bestritt er stets die unhaltbaren Zustände in seiner Stadt: „Es macht
mich wütend, wenn Leute winzige Punkte rausgreifen und darüber nach
Kräften lügen“, sagte er in der zitierten Reportage. Molenbeek sei
„nicht die Bronx“; die Probleme mit der Kriminalität beträfen nur wenige
Strassenzüge, so Moureaux. Dann verriet er, wes Geistes Kind er ist:
„Molenbeek ist ein Symbol, das bestimmte Leute kaputt machen wollen.
Doch nur über meine Leiche.“ Bestimmte Leute? Glaubt der Bürgermeister
ernsthaft an eine Verschwörung gegen sein Elendsviertel? Man muss nicht
lange suchen, um festzustellen, dass Moureaux – auf dessen Initiative
Belgien 1981 ein „Anti-Rassismus-Gesetz“ verabschiedet hat – ein
Antisemit ist, wie er selbst in Belgien nicht ganz häufig ist.
Gleichzeitig hat er die Gewalt junger Muslime beschönigt und unterstützt
– auch die gegen Juden.
Während des Ramadan 2009 gab es in Molenbeek schwere Ausschreitungen.
Muslimische Jugendliche errichteten Barrikaden aus brennenden
Autoreifen, zündeten Autos an, warfen Steine auf Feuerwehrleute, die zum
Löschen kamen, und plünderten, mit Steinen und Brechstangen
ausgestattet, die Geschäfte. Unbestätigten Berichten
zufolge hatte die Polizei die Anweisung erhalten: „Reizt sie nicht,
durchsucht sie nicht, interveniert nicht, selbst wenn sich Dutzende von
ihnen zusammentun, sprecht keine Verwarnungen wegen Belästigung aus,
nicht einmal, wenn sie Steine auf euch werfen.“
Jüdische Ladenbesitzer wurden auch ausserhalb des Ramadan schikaniert. 2008 berichtete
das flämische Magazin „Dag Allemaal“ darüber, wie „Jugendliche“ in den
Strassen Molenbeeks rufen: „Die Juden sind unsere schlimmsten Feinde“.
Entlang der Rue du Prado und der Chaussée de Gand in Molenbeek hatte es
früher viele von Juden geführte Geschäfte gegeben, doch 2008 waren sie,
mit Ausnahme eines Möbelgeschäfts, alle verschwunden. Und niemanden
störte das, ganz bestimmt nicht Bürgermeister Moureaux.
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