Monday, September 10, 2007

"Müssen wir uns verstecken?"

Nach der Messerattacke auf einen Rabbiner am Wochenende in Frankfurt am Main herrscht unter den Juden in Deutschland Verunsicherung. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz warf am Montag die Frage auf, ob sich gläubige Juden in der Bundesrepublik noch offen auf der Straße zeigen könnten oder ob sie sich verstecken müssten.
Eine konkrete Spur hatten die Ermittler der Frankfurter Mordkommission auch am Montag noch nicht. Trotz Veröffentlichung eines Phantombildes und der Aussetzung von 2000 Euro Belohnung seien keine verwertbaren Hinweise auf den etwa 20 bis 25 Jahre alten Angreifer eingegangen, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Der verletzte Rabbiner ist gesundheitlich auf dem Weg der Besserung, bleibt jedoch noch im Krankenhaus. Der 42-Jährige war am Freitagabend in der Innenstadt von einem südländisch aussehenden Mann "in arabisch klingenden Worten" angesprochen worden. Als der durch seine Kleidung als orthodoxer Jude erkennbare Rabbiner ihn nicht verstand, soll der Unbekannte auf Deutsch "Scheiß-Jude, ich bringe dich um" gesagt und dem Geistlichen mit einem Messer in den Bauch gestochen haben.
Die Polizei geht von einem zufälligen Aufeinandertreffen von Täter und Opfer aus. Sie ermittelt wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Aufgrund der Äußerungen des Täters sehen die Beamten außerdem einen antisemitischen Tathintergrund. Ihre Hoffnungen richten sich jetzt darauf, dass sich die beiden noch unbekannten Begleiterinnen des Täters, die sich nach der Attacke abgesetzt hatten, bei der Polizei melden.
Die Vereinigung orthodoxer Rabbiner wies am Montag darauf hin, dass Hass auf Minderheiten nicht nur in rechten Kreisen vorkomme. Alle demokratischen Kräfte in Deutschland seien aufgerufen, gemeinsam gegen diesen Hass einzutreten. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Er rief die Muslime in Deutschland dazu auf, sich stärker "gegen Extremismus und jegliche Feindschaft zwischen den Menschen einsetzen".
Der frühere Zentralrats-Vize Michel Friedman warnte davor, die "Dynamik" zu unterschätzen, mit der Neonazis und Islamisten in Deutschland zusammenarbeiteten. Er befürchte, dass diese Zusammenarbeit in den nächsten Monaten und Jahren noch verstärkt werde. Juden dürften sich vor dem Hass von Extremisten jedoch nicht verstecken, sondern müssten selbstbewusst ihre Identität leben. "Alles andere wäre ein Nachgeben gegenüber dem Hass", sagte Friedman.
(ddp)

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