Von Matthias Küntzel
Noch in diesem Sommer wird eine der renommiertesten geisteswissenschaftlichen Positionen neu besetzt, die in Deutschland zu vergeben ist: Am 30. September 2010 endet die Amtszeit von Prof. Wolfgang Benz, dem Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der Technischen Universität Berlin. Das 1982 gegründete Zentrum ist nicht nur Forschungsinstitut, sondern gleichzeitig eine „öffentliche Institution, die weit über den Rahmen eines Universitätsinstituts hinaus Dienstleistungen und Aufklärungsarbeit für die Öffentlichkeit erbringt“, so die Selbstdarstellung des ZfA. Bis heute ist es die einzige Institution dieser Art in Europa geblieben.
Seit dem letzten Sommer ist eine Berufungskommission unter Vorsitz von Prof. Werner Bergmann, ZfA, mit Benzens Nachfolge befasst. Noch im Sommersemester 2010 will sie dem Bildungssenator die Liste der drei am meisten geeigneten Kandidaten präsentieren.
Schon Anfang dieses Jahres gab man die Namen der sieben aussichtsreichsten Bewerber bekannt, die die Kommission aus dem großen Strauß der Interessenten ausgesucht hatte: Prof. Sieg aus Marburg, Prof. Goschler aus Bochum, Dr. Berg aus Leipzig, Frau Prof. Schüler-Springorum aus Hamburg, Prof. Longerich aus London, sowie Dr. Holz und Frau Dr. Königseder aus Berlin. Am 19. und 20. Februar 2010 stellten sich die sieben im Rahmen des Berufungsverfahrens „Leiter/Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung in Verbindung mit einer Universitätsprofessur (W 3)“ mit universitätsöffentlichen Vorträgen zum Thema „Stand und Perspektiven der Antisemitismusforschung“ vor.
Wer mit der deutschen Antisemitismusforschung vertraut ist, war über die Liste dieser Kandidatinnen und Kandidaten überrascht. So schickte das ZfA, das im Berufungsverfahren die gewichtigste Stimme hat, mit Frau Dr. Königseder eine Wissenschaftlerin ins Rennen, die zwar seit 14 Jahren beim ZfA arbeitet, in diesem Zeitraum über Probleme des Antisemitismus aber kaum publiziert hat. In den 18 Jahrbüchern für Antisemitismusforschung, die das Zentrum seit 1992 veröffentlichte, taucht Frau Dr. Königseder nur einmal – mit einem Aufsatz zum Thema „Feindbild Islam“ – auf.
Es kommt hinzu, dass sich mit ihr eine Mitarbeiterin aus dem eigenen Haus bewirbt. Für derartige Fälle sieht das Berliner Hochschulgesetz, um Seilschaften und Kungeleien zu vermeiden, besonders hohe Hürden vor.
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