„Die beiden haben ihre Geschwister angerufen und sich verabschiedet. ‚Betet für uns, wir tun etwas Gutes‘, haben sie gesagt. Seitdem sind sie telefonisch nicht mehr erreichbar, und niemand weiß genau, wo in Syrien sie sich aufhalten.“
Nach Erkenntnissen des schwedischen Geheimdiensts Säpo sind ungefähr 80 Islamisten aus Schweden nach Syrien gefahren, um dort zu kämpfen. Aus allen EU-Ländern insgesamt sollen es mehrere Tausend sein. Die Geheimdienste schätzen Frauen und Männer, die aus Kampfgebieten des Dschihad zurückkehren, als Sicherheitsrisiken ein. Diese Menschen seien stark ideologisiert und planten möglicherweise auch Anschläge in Europa.
In letzter Zeit nehmen zunehmend auch Frauen an den Kämpfen teil. Die Sympathisantinnen sind durchweg jung. Mariam berichtet im Gespräch mit Radio Schweden, dass ihre beiden Bekannten 19 und 20 Jahre alt sind. Bis vor einiger Zeit verhielten sie sich wie die meisten anderen Teenager in Schweden auch. Außerdem zeichneten sie sich in der Schule durch besonderen Fleiß aus und wurden für ihre guten Leistungen mehrmals mit Preisen belohnt. Dann aber wurden sie offenbar radikalisiert.
„Früher lebten sie ein normales Leben in Schweden, kleideten sich normal. Aber dann fuhr die Ältere für ein Jahr nach Ägypten, um mehr über Religion zu lernen. Die andere fuhr nach Birmingham. Als sie nach Hause kamen waren beide völlig verändert. Sie waren vollverschleiert, schauten nicht fern, hörten keine Musik, Facebook war für sie haram und verboten. Sie waren ziemlich extrem geworden. Aber Eltern merken sowas nicht. Sie fanden alles prima und freuten sich, dass ihre Töchter den Weg zu Gott gefunden hatten.“
Miriam selbst ließ sich vor einigen Jahren zu einer Reise nach Ägypten einladen, um ein paar Sommermonate Religionsunterricht zu nehmen. Von Kairo aus wurde sie mit einem Bus zu einem Ort gefahren, von dem sie immer noch nicht weiß, wo er liegt.
„Irgendwo in der Wüste. Ein großes Gebäude für junge Männer, eins für Frauen. Aber wir hatten nie etwas miteinander zu tun. Wir durften das Gelände auch nicht verlassen, hatten unseren eigenen Pausenhof. Die Schule war riesig. Ich brauchte auch nichts zu bezahlen, weder für die Anfahrt, das Essen, die Ausbildung oder Lehrmittel. Wer das alles finanziert hat, weiß ich nicht.“
Den Tagesablauf beschreibt Mariam als streng reguliert. Erst ein Morgengebet und dann Unterricht ab sechs Uhr früh. Koranlektionen, Vorlesungen, Arabischunterricht. Anschließend Abendgebet und ab in den Schlafsaal. Freizeit gab es nicht. Die Hauptsache war, möglichst schnell möglichst viel zu lernen.
Zuerst gefiel ihr die Schule. Der Unterricht beantwortete ihre existentiellen Fragen. Aber nach einiger Zeit hagelte es Forderungen und Tadel. Viele Schülerinnen weinten nachts, erzählt Mariam. Sie begannen von Dschihad zu sprechen. Nicht Dschihad als einen Kampf gegen das eigene Ich, sondern als ein persönliches Opfer im Namen Gottes:
„Zu mir haben sie gesagt: ‚Du hast das Abitur, aber keine Arbeit, keine Berufsausbildung. Was willst du mit deinem Leben anfangen? Du bist keine gute Muslimin. Du bist im religiösen und im weltlichen Sinn ein schlechter Mensch. Aber wenn du Dschihad machst und dich opferst, dann bist Gott gefällig! Dann hast du dein Leben nicht vergeudet. Erst bekommst du Religionsunterricht, dann bekommst du Training – und wenn unsere Feinde uns angreifen, dann sind wir bereit…“
Für Mariam wurde der Druck zu groß. Sie wollte die Ausbildung abbrechen, durfte aber nicht. Aber sie hatte Glück: Eine Woche vor Kursende zwang das ägyptische Militär die Schule, zu schließen. Alle Schülerinnen und Schüler wurden nach Hause geschickt.
sverigesradio
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