Im Prozeß gegen Radovan Karadzic begann in dieser Woche das Anklageverfahren. Vorerst sind drei Verhandlungstage pro Woche angesetzt. Als erste Belastungszeugen gegen den Expräsidenten der Serbischen Republik in Bosnien traten die bosnischen Muslime Ahmet Zulic und Sulejman Crncalo auf. Beide wurden von Karadzic, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag (ICTY) seine Verteidigung ohne anwaltliche Vertretung führt, ins Kreuzverhör genommen.Eine der nächsten Aussagen soll vom geschützen, also anonymen Zeugen »KDZ064« kommen. Sie wird mit den angeblichen Massenexekutionen in Srebrenica im Juli 1995 in Verbindung stehen, die einen der beiden Völkermordanklagepunkte begründen. Die Anklage behauptet, der Zeuge sei als Teil einer Menschenkolonne auf dem Weg von Srebrenica ins bosnisch-muslimisch kontrollierte Tuzla von serbischen Kräften in Haft genommen worden. Die folgende Massenhinrichtung der Gefangenen habe er überlebt. Eine umfassende Aussage dieses offenbar wichtigen Zeugen wird es jedoch nicht geben. Die ersten zwölf von der Anklageseite geladenen Zeugen haben bereits in anderen Fällen vor dem ICTY ausgesagt oder, wie KDZ064, eine schriftliche Aussage gemacht. Es wird lediglich ein Resümee ihrer Stellungnahmen verlesen, bevor das Kreuzverhör beginnt.Durch diese Vorgehensweise sieht Karadzic seine grundlegenden Rechte verletzt. Er habe nicht die Möglichkeit, sich mit allen relevanten Details der früheren und schriftlichen Aussagen im Kreuzverhör auseinanderzusetzen. Damit gehe die Last der Beweisführung von der Anklage auf den Beschuldigten über. Gleiches äußerte er mit Blick auf die »gerichtlich bereits festgestellten Fakten«, die von der Anklage nicht bewiesen werden müssen. 1500 solcher »Fakten« wurden bereits zugelassen, weitere 1216 will die Anklage einbringen. Ein von Karadzic wegen dieser Rechtsverletzung eingereichter Antrag auf Verfahrenseinstellung wurde abgelehnt.Erneut zeigt das ICTY damit, daß es dem Ruf einer unparteiischen Institution nicht gerecht wird. Bestätigt wird Ex-NATO-Sprecher Jamie Shea, der das ICTY als »Freundin der NATO« bezeichnete, von deren Mitgliedsländern es initiiert wurde und finanziert wird. So wurde der Maulkorb für Karadzic bereits gefertigt. Hinter ihm im Verhandlungssaal sitzt der britische Anwalt Richard Harvey, der vom Tribunal ausgewählt wurde, Karadzic zu verteidigen, sollte dieser »erneut den Prozeß behindern«. Allein die Bestellung des Zwangsverteidigers zeigt die herrschende Willkür, wenn es um die Bestrafung von Serben geht. Die Möglichkeit, das Recht auf Sebstverteidigung zu entziehen, schufen die Richter infolge von Karadzics kurzzeitigem Prozeßboykott Ende 2009. Damit hatte er auf die wiederholte Ablehnung seiner Anträge auf Verlängerung seiner Vorbereitungszeit reagiert. In dem einen Jahr seit seiner Auslieferung an das ICTY hatte die Anklage ihm Dokumente von gut eine Million Seiten zugestellt und eine Woche vor Verhandlungsbeginn den Anklageinhalt verändert.Mit Harvey bestellte das ICTY einen Anwalt aus einem NATO-Staat. Die NATO jedoch war aktiv am bosnischen Bürgerkrieg beteiligt und bombardierte wiederholt bosnisch-serbische Stellungen. Außerdem vertrat Harvey kürzlich vor dem ICTY zwei Mitglieder der kosovo-albanischen Terrororganisation UCK. Diese hatte die Serben in einen blutigen Sezessionskrieg verwickelt und die Vorlage für den Aggressionskrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im März 1999 geliefert.Karadzics Bruder Luka gab sich am Mittwoch gegenüber der italienischen Agentur AKI keinen Illusionen hin: Wer die Eröffnungsrede von Radovan im März gehört habe, kenne die Wahrheit. Es seien die bosnischen Muslime und der Westen gewesen, die Bosnien in Brand setzten, so Luka Karadzic. »Doch es ist nicht damit zu rechnen, daß das Tribunal an der Wahrheit interessiert ist. Radovan wurde von den westlichen Medien schuldig gesprochen. Aufgabe des Tribunals ist es, dies zu bestätigen. Mit einigen Ausnahmen folgen die westlichen Medien eben den Anweisungen der führenden Politiker, die Jugoslawien zerschlagen haben, den Krieg beförderten und die Rolle der Täter allein den Serben zuweisen.«
jW
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