Friday, October 11, 2013

Recht auf Hartz IV für arbeitssuchende Rumänen

EU-Bürger ohne Arbeit, die sich schon lange in Deutschland aufhalten, haben nach einem Urteil des Landessozialgerichts in Essen ein Recht auf Hartz-IV-Unterstützung. Das Gericht sprach am Donnerstag einer in Gelsenkirchen lebenden vierköpfigen Familie aus Rumänien einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu. Gegen das Urteil (Az.: L 19 AS 129/13) ist Revision zugelassen. Das beklagte Jobcenter hatte 2010 den Antrag der Familie abgelehnt. Nach geltendem Recht haben EU-Bürger, die nach Deutschland einwandern, um eine Arbeit zu suchen, kein Recht auf Fürsorgeleistungen. Das Gericht entschied nun, dass dieses Ausschlusskriterium nicht auf die Familie zutreffe, weil sie zur Zeit der Antragstellung schon ein Jahr in Deutschland gewesen sei. Weil die Bundesagentur für Arbeit wenig Aussicht auf Beschäftigung für den Vater sieht, erlischt aus Sicht des Gerichts der Grund für die Verweigerung der Leistungen nach sechs bis neun Monaten der Arbeitssuche. Die Familie sei nicht mehr im Rahmen des EU-Freizügigkeitsrechts zur Arbeitssuche in Deutschland. Folglich dürften sie nicht von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen werden. Schon zuvor hatten Familien per Eilentscheid mit ähnlichen Argumenten erfolgreich einen Hartz-IV-Anspruch erstritten. Die Kläger, eine Familie mit zwei Kindern, leben seit 2009 gemeinsam in Gelsenkirchen. Das Verfahren betrifft den Zeitraum von Mitte 2010 bis November 2011. Damals lebte die Familie von Kindergeld und vom Verkauf von Obdachlosen-Zeitschriften. Inzwischen hat die Mutter eine Arbeit, die Familie stockt mit Hartz IV auf. "Es handelt sich um eine wesentliche Grundsatzfrage, die bundesweit etwa 130.000 Personen betrifft", erklärte das höchste nordrhein-westfälische Sozialgericht. Vor allem hier lebende und vergeblich Arbeit suchende Rumänen und Bulgaren haben nun Aussicht auf Hartz IV. Auf die Kommunen könnten zahlreiche neue Leistungsanträge und damit neue Kosten zukommen. Die Tragweite des Urteils wird vor Ort in Nordrhein-Westfalen unterschiedlich bewertet: Bei der Stadt Hamm geht man davon aus, dass der Beschluss eine grundsätzliche Bedeutung hat, wie der "Westfälische Anzeiger" schreibt. Man wolle sich zügig mit der Bezirks-, Landes- und Bundesregierung in Verbindung setzen, um das weitere Vorgehen abzustimmen, zitiert das Blatt einen Sprecher der Stadt. In Dortmund hält man das Essener Urteil dagegen für einen Einzelfall, berichtet die "WAZ". Stadtsprecherin Anke Widow sagt der Zeitung: "Wir müssen das Urteil im Hauptsache-Verfahren abwarten. Dann prüfen wir es und überlegen, was das für Dortmund bedeutet." Wie viele Rumänen und Bulgaren sich aktuell in Dortmund aufhalten, sei der Zeitung zufolge schwer zu schätzen — im September 2012 seien 3200 gemeldet gewesen. Ab 2014 gelte die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien, weshalb die "WAZ" davon ausgeht, dass die Zahl der Zuwanderer dann erheblich steigen werde. In den ersten drei Monaten haben die Immigranten allerdings keinen Anspruch auf Sozialleistungen.
welt

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