Friday, October 04, 2013

Bluttat auf Essener Schulhof: Die Ermittlungen führen hinein in die Parallelgesellschaft zugewanderter Großfamilien.

Der Schulhof im Essener Stadtteil Altenessen ist eigentlich kein Ort für gewaltsame Auseinandersetzungen. Dort sollte zwischen Sandkasten, Kletterpyramide und Rutsche höchstens um Pausenbrote gerungen werden. Doch am Tag der Deutschen Einheit eskalierte hier gegen 15.15 Uhr ein Zwist, bei dem es vielleicht um Ehre und Stärke und Ansehen ging - und an dessen Ende ein Zwölfjähriger einen Zwölfjährigen beinahe tötete. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler hatten sich mehrere Kinder auf dem eigentlich geschlossenen Schulhof getroffen, womöglich um eine grundsätzliche Fehde auszutragen. "Wir wissen bislang nicht, ob es nur ein Streit unter Kindern war oder ob mehr dahinter steckt", sagte Staatsanwalt Rainer Kock. Einer der beiden Jungen soll ein Küchenmesser gezogen und seinem Kontrahenten einen Stich in die Brust versetzt haben. Andere Zeugen erklärten den Beamten, ein 13-Jähriger habe den Zwölfjährigen in das gezückte Messer gestoßen. Das Opfer musste anschließend mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden, schwebt jedoch nicht mehr in Lebensgefahr. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE sind alle drei Kinder polizeibekannt, auch gegen andere Angehörige der Großfamilien, denen sie entstammen, liefen bereits Verfahren. Als besondere Schwierigkeit bei den Ermittlungen könnte sich in diesem Fall erweisen, dass die Jungen noch strafunmündig sind. Sie haben keinerlei strafrechtliche Konsequenzen zu fürchten. Nicht zuletzt aus diesem Grund schätzen die Beamten die Kooperationsbereitschaft der Angehörigen als nicht besonders hoch ein. Denn die Fährte könnte mitten in die Parallelwelt zugewanderter Clans führen, die in den Spezialdienststellen der Polizei als sogenannte Mhallamiye-Kurden bekannt sind. Diese aus Südostanatolien stammenden Familien zogen in den dreißiger und vierziger Jahren als Wirtschaftsflüchtlinge in den Libanon. Dort wurden sie meist nicht eingebürgert, durften nicht arbeiten und waren auf sich gestellt.
spiegel

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