Tief ist die einst stolze SPD, die zu Zeiten von Willy Brandt für
über 45 Prozent gut war, gesunken. Bei den letzten Umfragen kam sie mit
Müh und Not noch auf 20 Prozent. Parteichef Gabriel war gezwungen, auf
dem Landesparteitag der Niedersachsen-SPD in Braunschweig, zum
historischen Tiefststand Stellung zu nehmen. Dabei wurde deutlich, dass
er nicht willens, oder nicht in der Lage ist, die Ursachen für das
Debakel seiner Partei zu erkennen. Die SPD müsse sich wieder auf ihre
Werte besinnen: „Wir müssen unseren Anspruch erneuern, Schutzmacht der
kleinen Leute zu sein - das muss unsere Antwort auf das Erstarken des
Rechtspopulismus sein“, führte Gabriel aus. Dabei ist der
undifferenzierte Kampf gegen „rechts“, bei dem führende Genossen die
Wähler als „Pack“ oder „Ratten“ bezeichnet haben, einer der Gründe für
den rapiden Verlust an Zustimmung. Als „rechts“ gilt inzwischen alles,
was sich wagt, Zweifel an der Politik der Bundesregierung zu äußern.
Wer, wie Gabriel, nicht mehr in der Lage ist, zu erkennen, was die
Wähler umtreibt, hat seine Aufgabe als Volksvertreter aus dem Auge
verloren.
Statt sich als „Schutzmacht der kleinen Leute“ aufzuspielen, hätte
die SPD allen Grund, erst einmal das Verhalten einiger ihrer
herausragenden Vertreter einer kritischen Bewertung zu unterziehen: In
Berlin wird noch die fragwürdige Finanzierung der Party anlässlich des
60. Geburtstags des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Wowereit
diskutiert, da macht sein Nachfolger Müller schon mit der Finanzierung
einer privaten Rechtsangelegenheit durch die Senatskanzlei von sich
reden.
Fast 10.000 Euro aus öffentlichen Zuschüssen ließ sich die SPD-Fraktion
die Sause für „Wowi“ kosten. Nun rügte der Landesrechnungshof diese
Ausgabe und verlangte die Hälfte zurück. Allerdings entschied der
Verwalter der öffentlichen Zuschüsse, Parlamentspräsident Ralf
Wieland (SPD), anders: Er verzichtete großzügig auf eine Rückforderung.
Die SPD verteidigte ihren selbstherrlichen Griff in die öffentliche
Kasse mit dem Argument, es habe sich habe bei der Veranstaltung um die
Propagierung der „erfolgreichen Regierungsverantwortung der
SPD-Fraktion“ gehandelt. Der Rechnungshof weist dagegen richtig darauf
hin, dass bei einer Geburtstags-Feier der Jubilar, nicht die Arbeit
seiner Fraktion, im Mittelpunkt steht. Wenn sich Siegmar Gabriel bei den
„kleinen Leuten“ umhören würde, bekäme er wenig Schmeichelhaftes über
das Gebaren seiner Genossen zu hören.
Der Fall des aktuellen Regierenden Bürgermeisters Müller ist noch
ernster. Trotz der Anwälte, die ihm im Roten Rathaus zur Verfügung
stehen, hielt es Müller für nötig, einen vom Senat finanzierten
Beratervertrag mit dem Promi-Anwalt Christian Schertz abzuschließen und
ihn auch privat zu beschäftigen. Als die Sache aufflog, war die
Auskunft der Senatssprecherin dazu. Dies sei ein Gebot der
„Fürsorgepflicht“ gegenüber dem Regierenden Bürgermeister gewesen, „im
vorliegenden Fall kommt hinzu, dass auch eine entsprechende
Berichterstattung verhindert werden konnte.“ Eine solche Verhinderung
sollte für den „Erdogan-Pressefreiheitspreis“ reichen (so ein Berliner
Spott), denn in der Sache geht es um die Finanzierung von Müllers
Wahlkreisbüro in den Räumlichkeiten einer Druckerei in Tempelhof durch
die Wahlkreisbüro-Pauschale, die Müller als Abgeordnetem zusteht. Diese
Druckerei gehörte - in Berlin nicht in Panama - Müllers kürzlich
verstorbenem Vater. Die Frage, die im Raum steht: War damit eine
Subventionierung der Miete für die Druckerei durch Steuergelder
verbunden? Als sich die B.Z. durch Akteneinsicht Klarheit verschaffen
wollte, erhielt die Zeitung einen Brief von Anwalt Schertz, der den
Abgeordneten Müller vertrat, in dem vor falscher Berichterstattung
gewarnt wurde. Doch Abgeordnete müssen ihre Anwaltskosten selbst zahlen.
Die Sache ist offenbar so brisant, dass sich Senatskanzleichef
Böhning durch sein evasives Aussageverhalten bei der Stellungnahme vor
dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses dem Vorwurf aussetzte, nicht
die Wahrheit gesagt zu haben. Böhning war erst vor wenigen Wochen im
Zusammenhang mit einem Beratervertrag für einen ehemaligen
SPD-Staatssekretär in die Kritik geraten. Diese Vorfälle erwecken den
Eindruck, dass der soziale Markenkern der SPD hauptsächlich in
Selbsthilfe für alte und aktuelle Funktionsträger besteht. Es darf
bezweifelt werden, dass dies Wähler überzeugt, ihr Kreuz bei dieser
Partei zu machen.
Auch in Mecklenburg- Vorpommern machen die Genossen von sich reden
und scheinen auf fragwürdige Weise für sich selbst zu sorgen. Ein
herausragender Fall ist der des Abgeordneten Heydorn, der aktuell mit
Flüchtlingen Gewinne machen will. Heydorn geriet bereits 2012 in die
Kritik, als er für den Vorsitz der Enquete-Kommission "Älter werden in
Mecklenburg-Vorpommern“ kandidierte. Da er gleichzeitig Besitzer eines
größeren Pflegedienstes in Schwerin mit rund 60 Mitarbeitern ist, wurde
ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Landtages vermutet. Die
Landtagsenquete-Kommission sollte sich Gedanken zur künftigen
Pflegestruktur des Landes machen. Das berührte möglicherweise
geschäftliche Interessen Heydorns. Es wurde gefordert, dass die auf
kommunaler Ebene bestehenden strengen Regeln, was die mögliche
Verknüpfung zwischen privaten und geschäftlichen Belangen und die
Ausübung eines politischen Mandates angehe, auch für den Landtag gelten
müssten. Heydorn ließ sich trotz aller kritischen Bedenken zum
Vorsitzenden der Enquete- Kommission wählen.
An andere legt er derweil strengste moralische Maßstäbe an andere an.
Unter der martialischen Überschrift: „Auf einen groben Klotz gehört ein
grober Keil“, forderte er 2004 den Rücktritt des damaligen Rektors der
Uni Rostock Prof. Wedel. Der Professor hatte die damalige
Finanzministerin Keler für ihre Sparpolitik kritisiert, obwohl er als
Berater der Landesregierung tätig war. Heydorn hielt das für nicht
miteinander vereinbar. Professor Wedel verlor seine Posten.
achgut / Vera Lengsfeld
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