Patrick Neu
Wie die Politik ein zweifelhaftes Jugendprojekt zum Thema „Antisemitismus“ unterstützt
Nicht erst seit dem Skandal um die Rütli-Schule ist das Thema „Integration“ ins Rampenlicht medialer Aufmerksamkeit gerückt. Entsprechend werden gerne Programme und Projekte aus öffentlichen Kassen gefördert, die vorgeben, sich um ein besseres Miteinander zu bemühen. Besonders beliebt sind diejenigen, die sich den Abbau von Vorurteilen groß auf die Fahne geschrieben haben. Ein solches ist auch das Berliner „Jugendtheater für Frieden und Gerechtigkeit – gegen Antisemitismus und Islamophobie“, welches im Bezirk Moabit Jugendliche mit meist migrantischem Hintergrund und nicht selten auch aus schwierigen familiären Verhältnissen zusammenbringt und ihnen dabei hilft, ihren Befindlichkeiten auf der Bühne Ausdruck zu verleihen. „Toll“, mag man denken, „so etwas muss doch stärker gefördert werden.“ Und so denken auch die politisch Verantwortlichen in Berlin. Deshalb wurde das beim Verein „Olle Burg“, einer Kinder- und Jugendeinrichtung des Bezirks, aufgehängte Jugendtheater vom Beauftragten für Integration und Migration Günter Piening in das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus aufgenommen. Schließlich möchte das Projekt nach eigenem Bekunden Araber, Deutsche und Juden zusammenbringen und „Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten“ fördern. Die Medien – von der taz bis zum Tagesspiegel - berichten durchweg voller Begeisterung darüber. Denn ein Multikulti-Projekt muss qua definitionem etwas Positives sein. Und gegen Vorurteile und Diskriminierung sind doch schließlich alle. Wer möchte schon als derjenige gelten, der die Party vermasselt, indem er nicht mitmacht oder gar Zweifel anmeldet? Der Oberflächlichkeit, die mit dem Wiederkäuen derartiger Binsenweisheiten unvermeidbar einhergeht, ist es wohl auch geschuldet, dass offensichtlich keinem etwas auffiel, obwohl das von der Gruppe letztes Jahr mehrfach aufgeführte Theaterstück „Intifada im Klassenzimmer“ gut besucht war. Dieses hat es in sich. Wiederholt werden darin Bezüge und Vergleiche zu Nazi-Deutschland und zum Holocaust angestellt, um die Situation von Arabern und Moslems als unter pauschalem Terrorismusverdacht stehenden Opfern im heutigen Deutschland sowie das Handeln Israels gegenüber den Palästinensern und der USA im Irak darzustellen. Bilder aus Vernichtungslagern sowie aus Guantanamo werden auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert und deutliche Analogien zu der Situation von Muslimen und Arabern in Deutschland suggeriert. Sätze wie „Panzer im heiligen Land, dann sprengen sich die Menschen in die Luft“ oder „Ich bin für die Befreiung Palästinas“ (wobei zu Beginn darauf hingewiesen wird, dass mit Palästina Israel gemeint ist), fallen dabei. Terrorismus wird hingegen verharmlost: „Ja, bin für den irakischen Widerstand und ja, ich bin gegen die US-Herrschaft, ja ich würde lieber kiffen im Kanzleramt. Ja, mein Vater war bei der Hizbollah, aber nein, ich bin kein Terrorist, ... Der größte Terrorist, das bist doch Du.“ Dass diese Inhalte durchaus auch den Überzeugungen der 13- bis 20-jährigen Schauspieler entsprechen und keineswegs kritisch hinterfragt werden sollten, machte die Aussage eines der Jugendlichen in einer öffentlichen Diskussion nach einer der Vorführungen im Juni 2005 deutlich. „Früher wurden die Juden vergast – okay schlimm – aber jetzt sozusagen machen sie das gleiche in Palästina; nicht alle Juden, aber Israelis…“. Widerspruch gab es nicht. Eine kritische Auseinandersetzung mit derartigem Gedankengut erscheint gar nicht erst möglich, denn die Texte stammen keineswegs von den Jugendlichen selber, sondern vom künstlerischen Leiter des Projekts, Ahmed Shah (Bild). Der britisch-pakistanische Streetworker und Theatermacher ist kein Unbekannter. Immer wieder taucht er im Umfeld linksextremer antizionistischer Organe wie der Jungen Welt auf. Seine Theaterkollegin Anne Lemberg nahm 2001 nach eigener Auskunft gar an einer vom International Solidarity Movement, einer pro-palästinensischen Aktivistenorganisation mit kooperativen Kontakten zur Hamas, organisierten Demonstration in Ramallah teil und hatte auf dem Rückweg eine Audienz bei Yasser Arafat. Die von Shah propagierte Ideologie stellt sich nicht zuletzt in einem Beitrag deutlich dar, den er für einen Sammelband mit dem selbstredenden Titel „Israel und der palästinensische Befreiungskampf“ verfasste und der auch auf der Webseite der von ihm mitbegründeten trotzkistischen Organisation „Linksruck“ zu finden ist. Darin bezeichnet Shah in knallharter antiimperialistischer Diktion den alltäglichen Terrorismus im Irak als „Widerstand gegen die amerikanische Herrschaft in der Region“ und nennt die Palästinenser „Opfer des Imperialismus“, welche „durch Gewalt zionistischer Terrororganisationen und in Komplizenschaft mit der grössten imperialistischen Macht der Welt, den USA, aus ihrer Heimat vertrieben“ wurden. Der deutschen Linken rät er „auf antizionistische Juden wie Noam Chomsky und seinen Appell mit 33 jüdischen Intellektuellen hören“, in welchem u.a. der „Abbau der israelischen Apartheid“ gefordert wird. Dass Shah sich in seinen Ausführungen von Versuchen distanziert, „einen Vergleich einiger Greueltaten des israelischen Staates mit den Handlungen der Nazis anzustrengen“, muss zwangsläufig wie reine Makulatur wirken. Während er der jüdischen Bevölkerung das Existenzrecht bescheinigt, kann er trotz aller Verklausulierungen seine Ablehnung des Existenzrechts Israels als jüdischem Staat nur schwer verbergen. Der israelische Staat, so Shah, sei ein „zionistische[r], d.h. rein jüdische[r] [Staat], der auf der Verschmelzung von Religion und Staat beruht, diesen als Heimstätte aller Juden weltweit versteht und allen Juden volle Staatsbürgerrechte garantiert, zugleich aber Palästinensern, die dort geboren sind, ihr Rückkehrrecht versagt“ Wie reagiert die deutsche politische Öffentlichkeit darauf? Während das Theaterstück auf der Webseite des DGB Berlin-Brandenburg als „schonungslos, offen, teils auch schockierend, auf jeden Fall ehrlich. Sehenswert.“ gelobt wurde, meinte man im sozialdemokratischen Establishment, „Intifada im Klassenzimmer“ mit dem SPD-Jugendprojektpreis „Goldener Alex 2005“ als bestes Projekt in der Kategorie „Politik“ prämieren zu müssen. In der Jury saßen neben dem SPD-Bundesgeschäftsführer Karl-Josef Wasserhövel und dem Landesgeschäftsführer Rüdiger Scholz die beiden Berliner Bundestagsabgeordneten Petra Merkel und Siegfried Scheffler sowie der Juso-Landessekretär Emanuel Höger. Das Stück wurde an mehreren verschiedenen Orten der Stadt aufgeführt, u.a. auch im Rahmen der Veranstaltung „Projekt P – Berlin 05“ der Bundeszentrale für Politische Bildung vor einer Podiumsdiskussion mit den Grünen-Parlamentariern Lale Akgün und Christian Ströbele. Der beim Landesinstitut für Schule und Medien für den Bereich Demokratieerziehung, Rechtsextremismus und Antisemitismus verantwortliche Michael Rump-Räuber wünschte sich gar mehr solcher Initiativen. In ihrer Besprechung des Stücks in der Jüdischen Allgemeinen machte die Autorin Sophie Neuberg vor, wie man dabei gewesen sein und doch nichts mitbekommen haben kann: „Gegen Neonazis zu sein, ist nicht genug, wenn die jüdische Mitschülerin ausgeschlossen bleibt. So lautet die Botschaft des Stücks.“ – „Und dass die Israelis die Nazis von heute sind“, müsste man ergänzen, um die Message zu vervollständigen. Eine halbe Wahrheit kann eben auch eine ganze Lüge sein. Dies wird einmal mehr durch einen Beitrag deutlich, den Shah zusammen mit seiner Projektkollegin Marwa Al-Radwany in einer Broschüre des Türkischen Bunds Berlin mit dem Titel „Gemeinsam gegen Antisemitismus!“ veröffentlichte und der vor allem auf die von den Betreuern selbst gehegten Vorurteile verweist. Darin zitieren sie einen ihrer Schützlinge als positives Beispiel dafür, wie die Jugendlichen zu differenzieren gelernt hätten: „Also wie ich das verstanden habe, gibt es einen Unterschied zwischen Deutschen und Nazis, und zwischen Juden und einem politischen System.“ Angesichts des absolvierten Bildungsprogramms wirken derartige Ergebnisse wenig überraschend und auch jegliche weitere „Fortschritte“, wie z.B. das Durchbrechen des israelfeindlichen Diskurses, müssen von vorneherein illusorisch erscheinen. Denn die Analogisierung ist im Konzept angelegt: ob beim Diskussionsnachmittag mit einem Auschwitzüberlebenden und einem palästinensischen Überlebenden des Bürgerkriegs oder der gemeinsamen „Pflichtlektüre“ von Art Spiegelmanns „Mouse“ und Joe Saccos „Palästina“. Da hilft es wenig, wenn Shah und Radwany behaupten: „Es geht nicht darum, den Holocaust und die Vertreibung des palästinensischen Volkes zu vergleichen oder auf eine Stufe zu stellen, aber darum, auf einer Stufe, einer Ebene, einer und gleicher Augenhöhe miteinander zu reden.“ Während die Theatermacher sich vordergründig gegen den klassischen primären Judenhass wenden, fördern sie gleichzeitig einen sekundären Antisemitismus. Israel wird dabei in die Nähe von Nazideutschland gerückt und die Judenverfolgung im Dritten Reich mit der „Islamophobie“ – ein Begriff, der selber vollkommen unhinterfragt bleibt – analogisiert. Die öffentliche Unterstützung, die dem „Jugendtheater für Frieden und Gerechtigkeit“ zuteil wird, ist kein Einzelfall. Sie reiht sich ein in eine Serie von Fehlförderungen ähnlich gelagerter problematischer Projekte durch öffentliche Stellen. So gab die Bundeszentrale für Politische Bildung letztes Jahr ein Begleitheft zum für Schulen empfohlenen Film „Paradise Now“ heraus. Dieses vermied es in ähnlicher Weise, dessen Diskurs, welcher sich zwischen der Bejahung und der rein taktischen Ablehnung von Selbstmordattentaten bewegte, zu hinterfragen. Ein weiteres Negativbeispiel war die Förderung der Kunstausstellung „Antifaschismus Vergnügungspark“, deren Macher vorgeblich eine kritische Auseinandersetzung mit Gedenkkultur anstrebten, welche jedoch kaum anders als eine „Parodie auf den Holocaust“ (dpa) zu verstehen war. In den meisten der besagten Fälle wurde auf politischer Ebene nicht reagiert und der eingeschlagene Fehlkurs mitunter sogar nach dem Motto „Jetzt erst recht“ demonstrativ bekräftigt. Im Falle des Jugendtheaters verhallte die ausschließlich von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus geäußerte Kritik ungehört. Dabei stünde es den Verantwortlichen gut an, gerade hier zuzuhören, denn die Kreuzberger Initiative ist ein positives Beispiel dafür, wie man die notwendige und für die Integration wichtige pädagogische Arbeit mit migrantischen Jugendlichen gestalten kann, ohne sich für die Kanalisierung antijüdischer Ressentiments des Projektionsventils „Israel“ bedienen zu müssen. Indessen gehen bei „Olle Burg“ Anfragen zu Auftritten aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus Finnland ein. Zudem hat das Projekt auch den Dreikönigspreis für Integration des Diözesanrats Berlin erhalten. Shahs Taktik, sich jüdischer Kronzeugen für seine politische Agenda zu bedienen, scheint einmal mehr aufzugehen. Das nächste geplante Projekt soll ein Bühnenstück über das Leben der Holocaust-Überlebenden und amerikanisch-jüdischen „Friedensaktivistin“ Hedy Epstein sein. Es gehört nicht viel dazu, um herauszufinden, dass letztere, vor kurzen auch Gast bei der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung, immer wieder gerne Analogien zwischen dem jüdischen Staat und Nazi-Deutschland anstrengt und mitunter auch explizit als Jüdin ihre Scham über Israel kundtut. Was für ein Zufall. Aber wen interessiert das schon? Hauptsache, alle haben dabei ein gutes Gewissen.
"die jüdische"
1 comment:
Ich finde es ziemlich traurig, dass der/die AutorIn dieses Kommentars noch nicht darüber nachgedacht hat, dass Rassismus ein Denkmuster ist, das nicht an irgendeine Ideologie, Religion oder Staatsangehörigkeit geknüpft ist. Man kann durchaus gegen Antisemitismus und gegen Rassismus sein und muss dennoch nicht das agressive Vorgehen der Israelis gutheißen!
Schon mal was von Toleranz gehört?
Aber bitte Toleranz auf der Basis von Toleranz:
Intoleranz darf nicht toleriert werden. Und damit meine ich Intoleranz gegen jegliche Minderheiten. Man darf durchaus darauf hinweisen, dass die Vertreibung und "Lagerhaltung" von Menschen als Verstoß gegen die Menschenwürde niemals legitimiert sein darf: Egal ob es sich dabei um Gulag, KZ, Guantanamo oder Khiam dreht.
Das ist alles Unrecht im Sinne der Menschenrechte! Und Verstöße wider die Menschlichkeit wurden zwar zuallererst im Zusammenhang mit der Geschichte Nazi-Deutschlands in den Nürnberger Prozessen vor Gericht gebracht -
seither sind aber auch nicht nur Humanisten und Gutmenschen vom Himmel gefallen.
Man muss auch heute noch solche Verstöße anklagen!
Das gebietet uns die UN-Charta!
Sei doch froh, dass die Jugendlichen in Moabit gefördert werden, ihre Wut und Verletzung auf der Bühne in einer künstlerischen Form zu präsentieren und damit auf Prozesse hinzuweisen, in denen durchaus nicht alles im Sinne der Menschenrechte verläuft.
Wäre es dem/der AutorIn lieber, die Jugendlichen würden sich nicht damit auseinandersetzen und irgendwann zu Waffen greifen im Glauben, dadurch der Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen?
Protest ist notwendig und erwünscht!
Protest ist nicht gleich Terrorismus!
Gewaltloser Protest im Rahmen einer Theaterarbeit kann Gewalt verhindern: Schon mal darüber nachgedacht?
Denk Mal!
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