Auszüge aus dem jungle world -Interview mit der Turkologin Corry Guttstadt:
Schon ab Ende der dreißiger Jahre richtete sich diese Ausbürgerungspolitik (der Türkei, JWD) zunehmend gegen Juden. Von den türkischen Juden, die z.B. in Berlin lebten, wurden viele ab 1938 ausgebürgert und dann 1941 als Staatenlose erste Opfer der Deportationen. Besonders fatal wirkte sich aus, dass Ankara die Ausbürgerungen zum Beispiel in Deutschland auf dem Wege der Amtshilfe durch die dortigen Behörden durchführen ließ. So richtete das türkische Konsulat in Berlin eine Aufforderung an die Ausländerpolizei, die türkischen Juden vorzuladen und ihnen die Pässe abzunehmen. Damit war klar, dass diese bei den Nazibehörden als Staatenlose registriert waren. 1942 und 1943, als die deutschen Stellen der türkischen sowie den Regierungen weiterer neutraler und verbündeter Staaten ein Ultimatum zur Repatriierung ihrer jüdischen Staatsbürger aus dem NS-Machtbereich stellte und türkische Juden auch massenhaft Opfer der NS-Verfolgung wurden, erreichte die türkische Ausbürgerungspolitik ihren Höhepunkt. Mehreren tausend Juden, vor allem in Frankreich lebenden, wurde seitens der Türkei die Staatsbürgerschaft entzogen...
Angesichts der historischen Realität ist der aufgebaute Mythos, demzufolge türkische Diplomaten überall im besetzten Europa »unter Einsatz ihres Lebens« Juden gerettet hätten, geradezu makaber. Im vergangenen Jahr erschien in der Türkei ein Buch unter dem Titel »Der Botschafter«, dessen Autor ein Großneffe des türkischen Botschafters in Frankreich in den Jahren bis 1943 ist. Der Autor behauptet, sein Onkel habe 20 000 Juden gerettet. In Wirklichkeit wurden während seiner Amtszeit nur 100 Jüdinnen und Juden aus Frankreich in die Türkei repatriiert.
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