Tuesday, September 01, 2015

"Das ist eine Sache der Deutschen": Österreich macht sich zum Transitland

"Refugees welcome" steht in blauen und roten Buchstaben auf einem Leinentuch am Wiener Westbahnhof. Es ist eine nette Geste an die Flüchtlinge, die dort ankommen. Mehr aber auch nicht - in Österreich bleiben will ja ohnehin kaum einer. Die Flüchtlinge machen hier nur Zwischenstation. Am Montag waren 3650 Menschen am Westbahnhof gelandet. Einen Asylantrag stellten gerade einmal sechs von ihnen. Der Rest reiste so schnell wie möglich weiter Richtung Deutschland. Die Polizei machte keine Anstalten, sie daran zu hindern. Kontrollen? Fehlanzeige. Die Beamten vor Ort seien nur anwesend, um die Sicherheit zu gewährleisten, sagte ein Sprecher. Es drängt sich der Eindruck auf: Österreich winkt Flüchtlinge ganz gerne durch. Medienberichte über sehr nachsichtige Grenzer an den Autobahnen bestätigen das. Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wehrt sich gegen den Vorwurf, ihre Beamten würden vorsätzlich wegschauen: "Das Dublin-Abkommen ist nicht ausgesetzt." Glaubwürdig scheint das nicht. Dublin ist in diesen Tagen für die österreichische Politik nur eine Stadt in Irland. Und das passt zum desolaten Bild, das die Alpenrepublik in der Asylpolitik abgibt.Erst vor zwei Wochen griffen Polizeibeamte in einem Großeinsatz 93 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof auf. Sie kamen aus Budapest und wollten eigentlich nach Deutschland weiterreisen, doch sie wurden in Aufnahmelager gebracht. Die Exekutive bestand da noch auf die übliche Prozedur: Wer Menschen ohne Papiere aufgreift, ist bis auf Weiteres für das Erstaufnahmeverfahren zuständig. Ein paar Tage später kapituliert die österreichische Polizei plötzlich - angeblich, weil einfach zu viele Flüchtlinge in Wien ankommen. Am Montag noch ein gutes Argument, heute nur eine Schutzbehauptung: Die ungarische Regierung ließ morgens den Bahnhof Keleti räumen, aus den Zügen aus Budapest stiegen jeweils nur noch einige Dutzend Flüchtlinge. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu kontrollieren - wenn das gewollt wäre. Noch am Montag hatte Bundeskanzler Werner Faymann im ORF den ungarischen Premier Viktor Orban scharf angegriffen. Die Menschen einfach in die Züge einsteigen lassen, das sei "keine Politik" und "unsolidarisch". Die eigene Vorgehensweise sieht seine Regierung nicht problematisch, sie zeigt lieber mit dem Finger auf Budapest - und Berlin. Innenministerin Mikl-Leitner sagte, der Grund für die große Zahl der Durchreisenden sei die deutsche Praxis, Flüchtlinge aus Syrien nicht in das Land zurückzuschicken, in dem sie zuerst registriert wurden. Nicht-Regierungsmitglieder wurden noch deutlicher. Was mit den Flüchtlingen geschehen werde, wurde der Sprecher der Wiener Polizei gefragt. "Das ist Sache der Deutschen."
 n-tv

No comments: