Thursday, September 24, 2015

Aktion Feigenblatt

von Wolfgang G. Schwanitz 

Noch hörten Amerikaner, der Kampf gegen den "Islamstaat" gehe voran, der neben Syriens al-Asad-Regime als die Hauptursache für Europas Flüchtlingskrise gilt. Mittwoch, den 16. September, sagte Präsident Obama sogar, Amerika gewinne, es möge im Wahlkampf nicht verteufelt werden. Am selben Tag meinte aber General Lloyd J. Austin, die Ausbildung von syrischen Rebellen, verfehlte ihre Wirkung. Hingegen habe der "Islamstaat" 30.000 Kämpfer. Bruce Hoffman behauptete, der "Islamstaat" gewinne. Dieser Ko-Autor des 9/11-Reports sieht die US-Strategie scheitern. Kapazitäten im Militär und in Diensten wären reduziert, indes Jihadis ihren Terror verstärkten, effektiv und verschlüsselt in Sozialmedien rekrutieren. Tatsächlich, da Präsident Putin durch Waffen und Berater al-Asad erhält und länger bereits Europa Ost und West spaltet, halten auch die Flüchtlingskrisen an.
Absehbar kollidieren mittelöstliche und europäische Zivilisationen in Europa. Außen- und Innenpolitik verwachsen, jeden geht alles an. Der Mangel an Mittelostpolitik in Berlin beschert Deutschland jetzt eine enorme Krise, über die eine aktive Kanzlerin fallen kann. Sie mag ihren Außenminister fragen, warum er so uneffektiv die Krisen nach dem [Nato-]Sturz des libyschen Autokraten und in Syriens Bürgerkrieg seit 2011 anging?
Prüften Frank-Walter Steinmeiers Amtsvorgänger noch das Gestern ihrer Mittelostkurse und kritisierten George W. Bush, so agiert er kritiklos mit Präsident Obama, der seit 2009 den Islamismus ignoriert und seit 2011 Fehlanalysen zu Irak-Syrien erzeugt. Daher die Illusion zu Irans Regime und zum Atompakt. Berlin versagte dort, Bürger zahlen daheim die Rechnung. Wie die 1960er Jahren lehren, gab es nie Blitzintegrationen. Einige Kinder und Enkel gerieten zu Islamisten. Berlin entzog sich bei Chemiewaffen, bei der Zone des Flugverbots, trotz paralleler Kritik, half dafür in Kurdistan und in Afghanistan. So gut Merkels menschliche Reaktion zur Flüchtlingswelle ist, so geboten sind Notbremsen.
Verkündet Berlin kein Jahreslimit der Asylaufnahme, riskiert es Zwiste und Europa mit Scharia-Zonen in Emiraten pro "Kalifat", wo Islamisten Sektenkriege anzetteln - Ziele: Muslime, Nichtmuslime, Juden, Christen, Konvertiten und Anderslebende. Wie hart auch Chemiewaffen die Menschen und Rote Linien Mitte 2013 beseitigten, Merkel betonte "keine Beteiligung und Militärlösung". Selbst Japan stimmte Samstag Kampfeinsätzen zu. Berlin folgt Washington, das hinter Feigenblättern ob des Atompakts "Rücksicht auf Iran" nahm. Wo bleiben Steinmeiers Korrekturen zu Libyen-Syrien-Iran, eine Agenda des Antiislamismus? Was an konträren Kulturen und Werten fernab lief, ist nun in Deutschland. Klarheit ist daher dringend geboten.

Putins Zange

Zügig nimmt der Atompakt vom 14. Juli Realität an, was Botschafter Stephen Mull leiten soll. Da der Kongress nichts mehr bremste, gilt der 18. Oktober als "Annahmetag", nach dem Erklärtes bis zum "Einführungstag" vorbereitet wird. Dieser wird erst wirksam, wenn die Atomenergie-Behörde Iran die Erfüllung von Auflagen attestiert. Deren Inspektoren starteten vor Ort ihre Ermittlungen. Sie müssen bis 15. Oktober fertig sein. Zwei Monate darauf wird Behördenchef Yukiya Amano seinem Direktorium berichten. Obzwar Washington auch danach Sanktionen für Irans Terroristenhilfe, Verletzungen von Menschenrechten, Raketenproliferation und gegen 200 Firmen oder Personen der Militärs des Regimes erhält, so der al-Quds-Garde, mag jener "Einführungstag" folgen.
Am 5. März 2014 enterte Israels Marine im Roten Meer die Klos-C und stellte fest, dass diese Munition aus dem Iran zum Gazastreifen schmuggelte, darunter eine große Anzahl M-302-Raketen, die unter Säcken mit Portland-Zement versteckt waren. (Bildquelle: IDF)
Offenbar bedeutet Teheran das Sanktionsregime wenig, wie der Besuch des Chefs der al-Quds-Truppe al-Hajj Qasim Sulaimani ab 24. Juli bei Präsident Putin in Moskau anzeigte, obzwar Mächte den Iraner sanktionieren. Inzwischen berichtete die Military Times nach amtlichen Daten, dass in Iran erzeugte Bomben im Irak 2005 bis 2011 196 Amerikaner töteten und 861 verwundeten. Senator Ted Cruz verwies auf Angaben, wonach etwa 500 Amerikaner getötet wurden und verknüpfte dies mit General Sulaimani.
Sicher haben der Iraner und Putin den Vorstoß in Syrien mit Waffen, Militärs und Ausbau der Luft- und Hafenbasen nahe al-Ladhaqiyya und Tartus erörtert: Achse von Antagonisten zwar, aber vereint gegen Amerika und Europa, mit Zangengriff in Syrien und der Ukraine. Seit zehn Tagen folgen T90-Panzer, Su27-Jets, Drohnen, Helikopter, 200 Soldaten und Berater, wohl bis 2.000. Putin braucht al-Asad gegen Amerika, das er vor der UN anklagen wird. Truppen der beiden "Retter der Ordnung werden siegen".
Berlin mag Iran prüfen, das Flüchtlinge aus Palästina-Libanon schaffen kann. Ali al-Khaminai meinte am 17. September erneut: Wie Gaza, so müsse nun die Westbank gegen Israel bewaffnet werden. Er setzt zudem auf die "anstürmenden Massen zur Befreiung Jerusalems". Wird Berlin seinen Gegenkurs finden und Steinmeier in Teheran dort im Oktober Wirtschaftshebel für solche Negativfälle ansetzen - oder "überrascht" sein?
Wie Berlin, steuerte Barack H. Obama in ein Dilemma, was das Versagen der Koalition gegen den "Islamstaat" als auch der Fehlschlag mit syrischen Rebellen erhellt. Obwohl es Kritiken am Konzept "Sieg der Diplomatie" gab, brauchte es ein Jahr, eine viertel Million Tote in Syrien, Flüchtlinge nach Europa und den Kreml, bis dies Politikern dämmerte, die durch ihr Nein Flüchtlingskrisen bei den Nachbarn und in Europa vertieften, um dann in Panik Demokratien auch Attacken der Jihadis zu öffnen. Papst Franziskus warnte vor den Glaubenskriegern, die der "Islamstaat" unter Flüchtlinge bringt. Jene Eiferer haben legale syrische Ausweise. Al-Qaida-Chef Aiman az-Zawahiri rief auf, den Westen jetzt durch Angriffe der Solitär-Jihadis zu schwächen. Die wetteifern da mit denen des "Islamstaats".
Verkehren sich "außen und innen"? In sieben Krisen wie die der Ukraine, Eurofragilität, Achse Beijing-Moskau-Teheran, Islamismus, Islamstaaten und Klimafolgen, vermehrte eine Feigenblätter: alltägliche Unkorrektheit. Sie zeitigt Tabu und Selbstzensur, wo die Realität durch dogmatische Wunschbilder verzerrt wird. Begriffe sind entstellt, Phobie-Anwürfe kultiviert. Jeder mag all dies lüften. Im Wahlkampf findet dieses Aussprechen realistischer Wahrheiten den besten Zuspruch. Der Realkurs kommt, der Kaiser trug nie Kleider. Rettet die Kanzlerin in ihrem zehnten Amtsjahr nun, was noch zu retten ist?
 gatestoneinstitute

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