Sunday, May 24, 2015

Obamas und Ibrahims Nachbarn

von Wolfgang G. Schwanitz
  • Nach dem Fall Ramadis im Irak und Palmyras in Syrien expandiert ISIS oder der sunnitische "Islamstaat" weiter und wirkt jetzt in neun Ländern. Als "taktischer Rückschlag" ist dies kein Grund für Präsident Obama, seinen Kurs in erst acht Monaten einer mehrjährigen Kampagne zu verändern.
  • Trotz 4.050 Luftangriffen seit neun Monaten in Syrien und Irak greifen Islamisten des "Kalifen Ibrahims" aus und treiben auch Flüchtlingsströme von Libyen nach Europa an. Zwar koordinieren sich die Europäer dazu mehr, unternehmen aber zu wenig gegen die Ableger des "Islamstaats" in Libyen.
  • Der "Islamstaat" spekulierte jüngst, Nukes von Pakistan über Libyen und Nigeria bis Mexiko nach Amerika mit Jihadis unter Migranten zu bringen. Etwas "episch Großes" solle dann folgen: je weiter die Bewegung komme, desto wahrscheinlicher gerate dies.
  • Im Atomstreit und Tauziehen um einen Finalpakt bis Ende Juni schloss es Ali al-Khaminai als Führer des schiitischen Islamstaats inzwischen aus, die Inspektionen von Militärbasen und das Befragen von Forschern zu erlauben.
"Kalif Ibrahims" Männer eroberten voriges Wochenende das mittelirakische Ramadi, eine Autostunde von Bagdad, und am Mittwoch das syrische Palmyra nebst Erdgasfeldern. Laut Präsident Obama ein "taktischer Rückschlag", aber er ändere nicht den Kurs. Das irakische Militär, das floh, sei nicht das durch Amerikaner trainierte. Der Oberbefehlshaber gab sich ruhig: man sei erst acht Monate in einer mehrjährigen Kampagne. Bagdad und schiitische Länder wären konsolidiert, in Sunni-Räumen sei mehr zu tun. Dabei war Ramadi 2008 mit hohen Verlusten erkämpft worden. Wie ist das Gesamtbild um Irak, Syrien, Iran und Israel?

Gefährdete Tempel: Palmyra - Tadmur (Foto: Arian Zwegers/Flickr)


Obama meinte am 8. August 2014, im Irak nicht mehr in einen Krieg gezogen zu werden. Von Syrien ließ er zuvor ab. Seine "Strategie" im Irak? Luftangriffe, keine Bodentruppen, Trainer, Hilfe. Jaziden sollten vor dem Genozid gerettet werden, etwa am Sinjarberg. Erste Schritte glückten. Dennoch wurden hunderte Männer getötet, tausende Frauen und Kinder versklavt. Trotz 4.050 Luftangriffe seit neun Monaten in Syrien und Irak greifen Islamisten aus, auch in neun Ländern. Schockierend geriet ihre Parade in Libyen, in Sirte, von wo aus sie Ägypten und Mittelafrika unterlaufen. Die Europäische Union koordiniert sich seit 18. Mai gegen Flüchtlingsströme im Mittelmeer, aber nicht gegen den "Islamstaat" in Libyen.
Erfolge gab es in Kobani, im April in Tikrit. Oder als Deltatruppen am 16. Mai mit Abu Sayyaf den Finanzchef des "Islamstaats" ausschalteten, seine Frau samt "Jazidensklavin" arretierten. Aber Amerika zahlt laut Pentagon bis 9. April 2,1 Milliarden oder 8,6 Millionen Dollar pro Tag für diesen Krieg. Die Nebenfolgen sind gravierend: eine ursprünglich kleine Islamistengruppe hat sich auf 50.000 verfünffacht (geschätzt, bei ausländischen Islamisten gibt es hohe Dunkelziffern, es können gar doppelt so viele sein), ein "Kalifat" etabliert und viel Leid über die Iraker, Syrer und ihre Nachbarn gebracht. Hierzu zählen auch Europäer.
Europa trifft es mit Migrantenströmen und durch Gewalt von Heimkehrern. Es sollte eine Sache der Europäischen Union sein, in Libyen dem "Islamstaat" zu begegnen mit Tunesien und Ägypten. Hoffentlich ist dies ein Hauptpunkt, wenn Präsident Abd al-Fattah as-Sisi im Juni Kanzlerin Merkel in Berlin trifft. Wird sie eine Initiative starten? Er war in Mittelost der Erste, der das Ruder gegen Islamisten herumriss. Der Nilstaat stabilisiert sich langsam.

Emotionen

Doch zurück zu Obama. Der Präsident gab ein Interview, das tiefer sein Fühlen über die akuten Fragen in Irak, Syrien, Iran und Israel erkennen lässt. Dazu hier meine Argumente.
Für und - Wider in Präsident Obamas Interview mit "The Atlantic" am 19., ediert am 21. Mai 2015
  • Die Frage ist, wie wir effektive Partner finden und wirksam den "Islamstaat" nicht nur in Irak und Syrien, sondern auch in Jemen und Libyen besiegen.
    Den "Islamstaat" trägt eine globale Ideologie und Bewegung, neben den vier Ländern in Afghanistan, Pakistan, Nigeria, Sinai und Mauretanien. So mag der Ansatz sein.
  • Wie können wir globale Koalitionen über Sektenlinien hinweg bilden mit Kompromissfähigen, um neuen Generationen eine Kampfchance zu geben?
    Das muss die Koalition der Willigen allseits bewältigen, das Gestern und Heute des Islamismus, was Obama stets verworfen, mithin nie eine ideelle Führung erlangt hat.
  • Wenn die Iraker nicht den Ausgleich zum Regieren schaffen, nicht für die Sicherheit ihres Landes kämpfen, wir können es nicht für sie tun.
    Alliierte, die 2003 im Irak einfielen, und nun als Fehler kritisieren, zudem 2011 ohne Garantien abzogen, tragen Mitverantwortung, das Land zu befrieden, und zwar mit voller Kraft.
  • Golfaraber sagten nicht, ihre eigenen Nuklearprogramme zu wünschen. Der saudische Prinz Turki, der dies meinte, sei nicht in der Regierung. Der Schutz, den wir ihnen als Partner geben, schrecke viel mehr ab als wenn sie das versuchten.
    Einige sagen, Amerika wurde nach 2009 unzuverlässig und suchen ihre Wege.
  • Irans Regime sei antisemitisch, werde dafür durch Sanktionen zahlen wie auch für expansive Ambitionen. Teheran liege am Machterhalt, dort handele man rational. Daher gehen sie potentiell den Nuklearpakt ein. Ja, sie bauen Raketen, also müssen wir integrierte Raketenabwehrsysteme haben. Sie geben ihre Waffen an Hizballah; nach Jemen; und werden es weiter tun.
    Antisemitisch ist irrational, bleibt der Pakt also tragbar?
  • Wenn wir nicht für Israels Existenz sorgen, würden wir die Geschichte des vorigen Millenniums negieren. Es gebe eine direkte Linie für ein freies und sicheres Israel und das Recht der Afro-Amerikaner auf Wahlen und gleiche Rechte vor dem Gesetz. Dies sei unteilbar.
    Das mag sein, doch fällt dies sehr emotionell aus.
Präsident Obama zeigt seine Gefühle, vergleicht Palästinenser in und um Israel mit Afro-Amerikanern. Dies erklärt manche Reaktion, verführt ihn aber zu Fehlern. Heute sieht er das Ringen gegen den sunnitischen "Islamstaat" als einen Kampf mehrerer Generationen.
Nummer neun von "Kalif Ibrahims" Agitationsblatt "Dabiq" prüfte als "perfekten Sturm", Nukes von Pakistan über Libyen und Nigeria bis Mexiko nach Amerika mit Jihadis unter Migranten zu bringen. Etwas "episch Großes" soll folgen: je weiter die Bewegung komme, desto wahrscheinlicher gerate das. Sie kam schon weit, wie leicht falle es ihr in einem Jahr?
Zwar stellte Obama nun Fragen, die am Anfang standen. Jedoch verkennt er eine ähnliche Natur des anderen, des schiitischen Islamstaats. Er lässt sich von Teheran in eine "Spirale von Aktion und Gegenaktion" ziehen – "Irans Raketen, unsere Gegenraketen", anstatt die Raketen wie Infrastruktur in den Pakt zu nehmen. Allein um eines Finalpakts willen hat er sein Prestige an ein Abkommen gefügt, dessen Preis hoch ist. Irans Führer Ali al-Khaminai betonte am 20. Mai, Inspektionen von Basen und Befragen von Forschern auszuschließen.
Kein Wunder, die Nachbarn sorgen sich, zumal Obama noch 18 Monate amtiert. Fehler? Islamismus nicht als globale Ideologie und Bewegung erkannt zu haben, daher den Kampf dagegen auf eine schiefe, lange Bank zu schieben, das Errungene in Irak nicht zu sichern, in Syrien und Iran nicht den Anfängen zu wehren und Israel anzugehen. Sicherlich mag es auch kritisiert werden. Doch Obamas Punkte gerieten unpassend. Nötige Kursänderungen kommen nun fast zu spät. Ob der Finalpakt Ende Juni seinen Namen trägt oder nicht, er geht bald aus dem Rennen. Aber Irak, Syrien, Arabien, Israel und Iran bleiben. Sie und alle Welt müssen die Folgen tragen.
gatestoneinstitute

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