Foto: Gabriele Senft
Berliner Heinrich-Heine-Preis gespendet: Schriftsteller Peter Handke übergibt 50000 Euro an serbische Enklave im Kosovo. NATO-Truppen in Alarmbereitschaft
Von Peter Wolter, Velica Hoca
Es war über Ostern das Medienereignis im serbischen Fernsehen: Der österreichische Schriftsteller Dichter Peter Handke übergab am Sonntag die 50000 Euro des »Berliner Heinrich-Heine-Preises« an die Bewohner der Enklave Velica Hoca im Kosovo. Dort halten seit Jahren etwa 650 Serben aus, umgeben von feindseligen Albanern, geschützt von Stacheldraht und Patrouillen der UN-Schutztruppe KFOR.Ursprünglich sollte Handke im vergangenen Jahr mit dem gleich hoch dotierten Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preis ausgezeichnet werden. Eine unabhängige Jury hatte ihm die Auszeichnung zuerkannt, was jedoch kleingeistigen Kommunalpolitikern vor allem grüner Provenienz mißfiel. Ihr Vorwurf: Handke sei ein Freund der Serben. Außerdem habe er den früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic im NATO-Gewahrsam in Den Haag besucht und – schlimmer noch – bei dessen Beerdigung eine Grabrede gehalten. Die Provinzialität Düsseldorfs setzte sich ausgerechnet in Paris fort: Die Cómedie Francaise nahm aus demselben Grund ein Handke-Stück aus dem Spielplan. Die Frankfurter Allgemeine, der Spiegel und andere Druckerzeugnisse, die sich als Qualitätsblätter ausgeben, legten flugs nach: Den NATO-Bomben auf Serbien wurden Stinkbomben auf Handke hinterhergeworfen, der Dichter wurde als Apologet des Völkermordes und Tyrannenfreund verleumdet. Angeekelt verzichtete Handke auf den Düsseldorfer Preis.Die Schauspieler Rolf Becker und Käthe Reichel sowie der Journalist Eckart Spoo wollten sich mit dem Skandal nicht abfinden. Sie gründeten flugs den »Berliner Heinrich-Heine-Preis«, weitere Intellektuelle wie Dietrich Kittner, Arno Klönne, Claus Peymann, Monika und Otto Köhler sowie Ingrid und Gerhard Zwerenz schlossen sich an. Nach kurzer Zeit waren 50000 Euro gesammelt, die Handke dann am Sonntag als demonstrative Solidaritätsspende an die Bewohner der Enklave Velica Hoca übergab. »Ich bedanke mich bei allen Einwohnern, daß sie hiergeblieben sind und immer noch hier leben«, erklärte der österreichische Schriftsteller. »Velica Hoca heißt in der alten Sprache: Viele Väter. Ich wünsche mir heute einen anderen Namen: Viele Kinder.« Unter dem Applaus der Serben sagte Handke weiter: »Dann habe ich noch einen dritten Namen für Velica Hoca heute: Dorf unter dem Himmel.«Die verarmte Gemeinde liegt auf einer Hochebene, umgeben von albanischen Siedlungen. Immer wieder, so schildern Dorfbewohner, kam es zu Übergriffen von Albanern, die von der Terrororganisation UCK aufgehetzt worden waren (kleiner Tipp an die junge welt: dies Nazigesocks braucht man nicht mehr aufzuhetzen!). Die Zufahrten zum Dorf sind seit Jahren mit Stacheldrahtrollen gesichert, die im Ernstfall schnell über Straßen und Wege gezogen werden können. Auf einer Anhöhe gegenüber dem Dorf befindet sich ein Beobachtungsposten, der mit UN-Soldaten aus der Schweiz und Österreich besetzt ist. Das Vorhaben des prominenten Österreichers, sein Preisgeld der Gemeinde Velica Hoca zu übergeben, muß bei der UN-Truppe KFOR Besorgnis ausgelöst haben. Die Fahrzeuge, mit denen Handke und die Mitglieder der Berliner Initiative vom Flughafen der Kosovo-Provinzhauptstadt Pristina nach Velica Hoca fuhren, wurden von der albanischen Polizei eskortiert, im Ort selbst warteten weitere Polizeifahrzeuge. Hin und wieder sahen UN-Patrouillen nach dem rechten. Und zur Ostermesse, kurz vor der offiziellen Preisübergabe, erschien – angeblich mit österlicher Betabsicht – vor dem Kirchlein des Dorfes auch noch ein Trupp georgischer UN-Soldaten, angeführt von einem deutschen Militärseelsorger. Die KFOR hatte wegen des Handke-Besuches vorsorglich Alarm ausgelöst, wie ein österreichischer Soldat im Privatgespräch verriet.
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