Saturday, April 02, 2016

Sozialdemokratische Vollpfosten (II): Genosse Stegner ordnet die Welt

Der Bundeskanzlerin fällt es gegenwärtig schwer, ihren Pakt mit dem türkischen Präsidenten höchstselbst zu verteidigen. Es ist auch nicht leicht, öffentlich zu einem Partner zu stehen, der mit seiner Armee in Teilen des eigenen Landes Krieg gegen eigene Bürger führt, der Zeitungsredaktionen besetzen und Kirchen enteignen lässt, der missliebige Journalisten vor Gericht stellt und das Verfassungsgericht rügt, weil es Kritiker von ihm aus dem Gefängnis entlassen hat. Wie nennt man einen Verbündeten, der Zeitungsredaktionen besetzen lässt und dessen Außenministerium einen Botschafter einbestellen muss, um in von Deutschland die Zensur einer Erdogan-Satire zu verlangen? Die Kanzlerin schweigt.
Aber sie hat einen eifrigen Unterstützer: Ralf Stegner, der wortgewaltige stellvertretende SPD-Vorsitzende. Er bekennt sich dazu, dass er Merkels Türkei-Kurs unterstützt: „Wir haben es mit einem schwierigen Partner zu tun, der vieles macht, was einem nicht gefallen kann“, sagte Stegner jetzt der Deutschen Presse-Agentur. „Aber ohne Einigung mit der Türkei wird es nicht möglich sein, in der Flüchtlingsfrage eine europäische Lösung hinzubekommen.“[1]
Genosse Stegner bleibt leider die Erklärung schuldig, warum die Europäer selbst keine europäische Lösung hinbekommen können, aber wer hinterfragt das schon. Viel bezeichnender ist der Ausflug ins Stegnersche Weltbild: „Den Umgang der Türkei mit Kurden und der Pressefreiheit muss man kritisch sehen, aber letzteres gilt auch für Ungarn und Polen — eine billige antitürkische Haltung sollten wir uns nicht leisten.“
Aha, die anderen sind also auch nicht besser? Ja, es ist Protest wert, wenn eine Regierung, wie derzeit in Polen, das Verfassungsgericht entmachten und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk übernehmen will. Aber das ist doch etwas ganz Anderes als das Treiben des Möchtegern-Sultans in Ankara? Wenn Genosse Stegner das anders sieht, dann muss er über eine Menge Informationen verfügen, die ich nicht habe. Mir fällt gerade keine Zeitungsredaktion in Warschau oder Budapest ein, die mit Polizeigewalt von ihren Redakteuren befreit wurde. Habe ich vielleicht vergessen, dass in Polen und Ungarn Journalisten inhaftiert sind und vor Gericht stehen? Auch in welchen Heimatprovinzen polnisches oder ungarisches Militär gerade Ausgangssperre verhängt und ganze Straßenzüge zusammengeschossen hat, ist mir entgangen.
Weiterlesen bei sichtplatz.de

No comments: