Monday, March 05, 2007

Väter des Jihad: z. B. Ludger Volmer (Christlicher Gewerkschaftsbund)

Der Held im Spannungsfeld
Staatsminister Ludger Volmer (Foto) ist schuld, daß es die Grünen noch gibt. Von Ralf Schröder
Regierungsfähigkeit als Buchstabensuppe: "Am ehesten objektivierbar ist der Begriff als exekutive Handlungsfähigkeit im komplexen Spannungsfeld von programmatischen Eigenansprüchen, divergenten Lobbyforderungen, öffentlicher Meinung, Resonanz des Auslandes, rechtlichen, institutionellen und finanziellen Rahmenbedingungen."
So schreibt ein grüner Staatsminister im Auswärtigen Amt wenige Wochen vor seinem Amtsantritt. Er redet auch so präzise: Als seine Fraktionskameraden jüngst mit der Regierung und gegen jedes international geltende Recht beschlossen, die völkisch motivierten Banden der albanischen UCK in ihrem Kampf um einen selbstverwalteten Staat gegen die jugoslawische Regierung mit Kampfbombern zu unterstützen, sagte der (künftige) Staatsminister dem Nachrichtenmagazin Spiegel: "Ich habe dem nicht zugestimmt. Die anderen haben zugestimmt, um den Druck auf Milosevic nicht zu unterlaufen." Aha, die anderen: Wer Ludger Volmer nun aufforderte, aus dieser unappetitlichen Truppe zu desertieren, bekäme den Vogel gezeigt. Andere Walzer sind zu tanzen: "Internationale Zivilgesellschaft"!
"Bündnis 90/Die Grünen haben immer wieder betont, daß Entmilitarisierung mit der Zivilisierung internationaler Beziehungen Hand in Hand gehen müsse. Dies ist kein Allgemeinplatz, sondern bedeutet, daß militärische Strukturen so weit und nur so weit abgebaut werden können, als zivile Funktionsäquivalente entstehen." Das erste ist, nah an der Tautologie, ein Allgemeinplatz, das zweite einfach Unfug, selbst wenn man grün denkt. Alt ist das alles. Aber wer ist Volmer?
Volmer wurde immer so etwas wie mitleidende Sympathie entgegengebracht. Diese Sympathie kam von links und salutierte der Hartnäckigkeit, mit der Volmer die nach rechts driftenden Parteigenossen Joseph Fischer und Cohn-Bendit aufhalten wollte. Die Sympathie war nicht angebracht. Hätte Volmer den - mit Verlaub - Arschlöchern beizeiten einen Tritt gegeben und wäre mit seinem Anhang einen trinken gegangen: Die grüne Partei wäre kaputt gegangen. Wahrscheinlich. Das jedenfalls deutet Volmer in seinem Buch "Die Grünen und die Außenpolitik - ein schwieriges Verhältnis" an.
Statt "praktizierender Partei- und Außenpolitiker" zu bleiben, hätte der gelernte Sozialwissenschaftler auch als solcher sein Geld verdienen können. Das beweist sein Buch, das er allerdings nicht geschrieben hat, um Geld zu verdienen, sondern um der Politikwissenschaft zu demonstrieren, daß die Grünen in Methode und Jargon auf Augenhöhe der korruptesten Wissenschaft des akademischen Betriebes und deshalb ernst zu nehmen sind.
In unsicheren Zeiten oder wenn sich die Bedingungen marktwirtschaftlicher Expansion anderweitig ändern, haben Politologen - ob "Kampf der Kulturen", "Weltinnenpolitik" oder "Multipolare Weltordnung" - für jedes Bedürfnis eine passende neue Theorie bereit. Das nennt sich dann laut Volmer "Fachkontroverse" oder "Denkschule". Der Staatsminister beweist aber nicht nur, daß er so ziemlich alle Denkschulen kennt und bei Bedarf besuchen kann, er beherrscht auch jede Menge wissenschaftlich klingender Begriffe, die das Lesevergnügen steigern wie "Stringenzpostulat", "Realitätsadäquanz", "Konstituierungsphasen", "Problemzusammenhänge", "Lernerfahrungen" und "Strukturierungsversuche".
Das geht so über 649 Seiten, aber, wie gesagt, das hätte nicht sein müssen: Volmer hat die Partei - nach eigenem Bekunden - zweimal freiwillig gerettet: Im April 1990 war Parteitag in Hagen, und der Streit zwischen den Flügeln der Grünen hatte sich aufs äußerste zugespitzt. Die Realos hatten sich um die sogenannten Bürgerrechtler aus der DDR verstärkt, Spaltungen drohten. In der "Entscheidungsschlacht" (Volmer) legte der heutige Staatsminister einen Antrag vor: Dieser "lehnte eine Zusammenarbeit mit der PDS ab, beharrte aber darauf, daß die humanistischen Gehalte und die Kapitalismuskritik der sozialistischen Ideenwelt konstitutiven Wert für die Grünen behalten sollen". Gesäusel, das Ebermann, Trampert und andere Linke zum Parteiaustritt veranlaßte.
Zwölf Monate später, die Grünen waren mittlerweile aus dem Bundestag geflogen, rüstete sich die Partei schon wieder zur "finalen Auseinandersetzung" (Volmer). Die Realpolitiker schoben mit geballter Unterstützung der Medien der Parteilinken die Schuld für die Wahlniederlage zu, "die verbliebenen Radikalökologen um Jutta Ditfurth beklagten larmoyant ihr Schicksal, durch die Realo-Offensive (Ö) ausgegrenzt zu werden". Wieder drohte die Spaltung. Volmers Stunde: Im Vorfeld der Bundesdelegiertenkonferenz in Neumünster war in ihm die Erkenntnis gereift, "daß die Grünen keine reine Linkspartei seien". Auf der Konferenz selbst gab es eine klare Mehrheit für die von Volmer als Grundsatzpapier verfaßte "Kieler Erklärung" der "gemäßigten Linken". Dennoch zog sich der heutige Staatsminister mit dem Realo-Strategen Fritz Kuhn "zu mehrstündigen Verhandlungen zurück".
Man erarbeitete ein auch für die Realos akzeptables Papier und: "Die Operation gelang." 80 Prozent der Delegierten stimmten dem Kompromiß zu. Unmittelbar nach der Abstimmung kam es zu einem der schönsten Momente der neuzeitlichen Parteiengeschichte: "Während die oberflächlich betrachtende Presse tumultartige Szenen im Saal als Beweis für den endgültigen Niedergang der Partei wertete, fand in Wirklichkeit das Gegenteil statt: Die Partei konstituierte sich neu. Die Tumulte waren nur Ausdruck der finalen Krise der Flügelexponenten, die ihrer Bedeutungslosigkeit entgegensahen."
Jutta Ditfurth, nach Volmer Exponentin der Linksradikalen, verließ zwei Wochen später die Partei. Antje Vollmer, nach Ludger Volmer am anderen Rand zuhause, wurde später grüne Vizepräsidentin des Bundestages und ist aus dieser Bedeutungslosigkeit bis jetzt nicht wieder aufgetaucht.
Volmer faßt das alles heute so zusammen: "Diese Strategie lief nicht auf Spaltung in der Mitte hinaus, sondern darauf, das Gros der Partei zu erhalten und die Extrempositionen abzusplittern." Eine Art parteiinternerer Verfassungsschutz also, notwendig für eine Formation, die es zur Vollwert-Partei bringen will: Folgt man Volmers Teleologie, dann war die bisherige Geschichte der Grünen vor allem eine Geschichte des Kampfes gegen eigene Defizite.
Was ehemals von üblen Reaktionären zu Unrecht gegen die Grünen vorgebracht wurde, bestätigt jetzt rückblickend die gemäßigte Linke. Ausschließlich negierende Kritik, so Volmer, sei "als politische Haltung nicht illegitim, wenn sie als notwendiges und unvermeidliches Durchgangsstadium begriffen wird, dem konzeptionelle Arbeit an positiven Alternativen folgt". So konjugiert sich Volmer - mal Vati der Partei, mal pflichtbewußter Parteisoldat - mit Hilfe etablierter politikwissenschaftlicher Kategorien wie "Handlungsfähigkeit", "Geschlossenheit", "Gestaltungskraft" die Parteigeschichte zurecht, um hier zu stranden: Es sei "evident", daß "eine innerparteiliche Konvergenz" nur auf der Basis der Strömungen entstehen könne, "die als politischer Pazifismus beschrieben wurde".
Der politische Pazifismus ist kein Programm, sondern eine Haltung für Leute ohne Rückgrat. Er ist so verlogen, daß die Lüge kein Kriterium und kein Gegenteil findet. Niemand kann die Flexibilität des politischen Pazifismus so gut beschreiben wie sein Erfinder Volmer: "Programmatische Radikalität mit der Bereitschaft zum Pragmatismus bei der Durchsetzung verbinden." Oder: "Pragmatismus unter grundsätzlicher Beibehaltung der eigenen Perspektive." Oder: Die "gradualistische Verflüssigung" der "eigenen Positionen" gegen den "Maximalismus" der "Radikalpazifisten". Ins wirkliche Leben übersetzt: Wird der politische Pazifist und künftige Staatsminister Volmer vom Spiegel nach dem geplanten Bombardement gegen die Serben gefragt, antwortet er: "Aber wir können nicht, weil die Welt so kompliziert ist, sagen: Wir verzichten auf den Anspruch mitzuregieren. Wir sind da in einem Dilemma, das ist offensichtlich." Das Dilemma aber ist nicht Ausnahme, sondern Existenzweise für einen autoritären Zwangscharakter, der nur eines will: Wichtig sein, und das mit gutem Gewissen.
Solche Gestalten wollen sich ihr Wohlbefinden, das vom Sadismus militärischer Vernichtungsdrohung mitgespeist wird, dann auch von höchster Stelle vergüten lassen...
Ludger Volmer: Die Grünen und die Außenpolitik - ein schwieriges Verhältnis. Westfälisches Dampfboot, Münster 1998, 649 S., DM 68
04. November 1998
Jungle World

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