Die EU-Kommission lässt gegen Polen die Muskeln spielen. Es ist zwar nur fürs Schaufenster, und die Muskeln sind eigentlich bloß Attrappen. Denn der angedrohte Entzug des polnischen Stimmrechts ist nur möglich, wenn alle anderen EU-Mitglieder mitziehen. Das werden aber gerade einige mittel- und osteuropäische EU-Mitglieder nicht tun. Ungarn hat sich bereits in dieser Weise geäußert. „Das ist beispiellos und unfassbar“, erklärte Vize-Ministerpräsident Zsolt Semjen. Und weiter: „Es ist inakzeptabel, dass Brüssel Druck auf einen souveränen Mitgliedsstaat ausübt und eine demokratisch gewählte Regierung willkürlich bestraft.“
Es geht um zwei Gesetze, die der Sejm, das Unterhaus des polnischen Parlaments, verabschiedet hat. Das erste gibt dem Parlament die Vollmacht, die Besetzung des Obersten Gerichtshofs zu beeinflussen. Das zweite ermächtigt die Abgeordneten, die meisten Mitglieder des Landesjustizrats zu bestimmen. Dieses Gremium schlägt in Polen wiederum die Richter vor. Das stößt in der EU auf Kritik. Moniert wird von der EU zudem die Herabsetzung des Rentenalters für die Richter am obersten polnischen Gericht von 70 auf 65. Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat diese Gesetze jetzt jedenfalls unterzeichnet; er weist die Kritik der EU zurück und fügt an, dass mit diesen beiden Gesetzen die Unabhängigkeit der Justiz keineswegs gefährdet sei.
Bezeichnend ist, wie die veröffentliche deutsche Meinung mit der Sache umgeht. Es ist in den allermeisten Zeitungen und Sendungen nur die Rede davon, was die EU vorhat. In martialischen Tönen ist gar von einer „Atombombe“ der EU die Rede. Bezeichnend ist auch, wie lange man in der aktuellen Presse suchen muss, um herauszufinden, was die Polen denn eigentlich angestellt haben sollen. Die „Zeit“ kritisiert, dass die beiden neuen Gesetze es der PiS ermöglichen, bei der Ernennung von Richtern mitzubestimmen. Die PiS? Die nationalkonservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS, deutsch: Recht und Gerechtigkeit) stellt nun einmal die (knappe) absolute Mehrheit im polnischen Parlament. Bei den Wahlen vom 25. Oktober 2015 hatte sie 37,6 Prozent erreicht und mit 235 der 460 Mandate eine absolute Mehrheit im Sejm bekommen. Das dürfte das eigentliche Problem für die EU sein.
Nur, geschieht die Besetzung höchster Richterposten in Deutschland so ganz anders? Fragen wir, wie Deutschlands höchstes Gericht, das Bundesverfassungsgericht, besetzt wird. Nun, das Bundesverfassungsgericht besteht aus sechzehn Richtern (davon derzeit sieben Richterinnen). Acht der Richter werden vom Bundestag, acht vom Bundesrat gewählt.
http://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/die-eu-laesst-gegen-polen-die-muskeln-spielen/
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