und es geht weiter: friedliche Hetze, antifaschistische Hetze,
evangelische Hetze, katholische Hetze, mütterliche Hetze, nachhaltige
Hetze, gewissenhafte Hetze, „maas“volle Hetze, deutsche Hetze,
romantische Hetze, emanzipatorische Hetze, befreiende Hetze,
menschenfreundliche Hetze …
Irritiert?
Was ist falsch an der genannten Hetze?
Offensichtlich ist die Hetze mit den falschen Adjektiven gepaart
worden, denn Hetze, das zeigt ein Blick ins Internet, Hetze, richtige
Hetze, politisch-korrekte Hetze, sie erfordert den Zusatz der folgenden
Adjektive:
- rechte Hetze,
- rechtspopulistische Hetze,
- rechtsradikale Hetze,
- rechtsextreme Hetze,
- braune Hetze,
- NSDAP-Hetze,
- rassistische Hetze,
- fremdenfeindliche Hetze,
- antisemitische Hetze,
- anti-islamistische Hetze,
Hetze an sich, ist nichts, qualifizierte Hetze, wie dies oben
geschehen ist, ist alles, denn wer die Deutungshoheit darüber hat, wie
der Begriff der Hetze assoziiert wird, der kann mit dem Hetze-Vorwurf
versuchen, seine politischen Gegner mundtot zu machen. Gleichwohl kann
der Begriff der Hetze seine Herkunft aus den Kaderschmieden der DDR
nicht verbergen.
Doch zurück zur Deutungshoheit durch Hetze, deren Grundlagen führen uns zurück zum Anfang des 20. Jahrhunderts:
“Das
klassische Experiment ist mittlerweile jedem Schuljungen geläufig
geworden. [Dieser Satz wurde 1948 geschrieben. Damals war er noch
zutreffend.] Gibt man einem Hund Fleischpulver ins Maul, so sondert er
Speichel ab. Das Futter ist der unkonditionierte Reiz, der Speichelfluss
der unkonditionierte Reflex. Sodann bietet man das Futter kombiniert
mit irgendeinem beliebigen Reiz dar, etwa mit dem Aufleuchten einer
Lampe. Nachdem das oft genug in richtigem zeitlichen Zueinander
geschehen ist, wird das Licht den Speichelfluss schließlich auch ohne
Anwesenheit von Futter auslösen: Jetzt ist das Licht der konditionierte
Reiz und die darauf erfolgende Reaktion der konditionierte Reflex.“
(Hilgard & Bower, 1973: 66).
Hetze hat alle Bestandteile, die den Begriff zum unkonditionierten
Reiz machen, der Speichelfluss auslöst. Die angeblich höhere
Entwicklung, die Menschen gegenüber Hunden reklamieren, sie scheint sich
im vorliegenden Fall darin niederzuschlagen, dass der Speichelfluss
durch den Begriff „Hetze“ auch ohne eine direkte Belohnung ausgelöst,
der unkonditionierte Reiz zu einem konditionierten Reiz wird. Menschen
scheinen im Gegensatz zu z.B. Hunden, mit einer psychologischen
Belohnung zufrieden zu sein. Sie sind so leicht konditionierbar, dass
sie keine Belohnung benötigen. Es reicht bei manchen aus, ihnen die
Möglichkeit der Einordnung einzuräumen, der Art, dass man selbst ja mit
Hetze nichts am Hut habe, dass man selbst zu den Guten gehöre, die nicht
hetzen, nicht so, wie die da, die Hetzer.
Doch wer sind „die da“, wohin geht der Reflex, der mit dem
konditionierten Reiz „Hetze“ ausgelöst werden soll. Richtet er sich auf
Feministen mit „feministischer Hetze“? Nein. Richtet er sich auf den
Papst als päpstliche Hetze? Nein. Gegen Romantiker, Katholiken, Linke,
Sozialdemokraten oder Journalisten des öffentlich rechtlichen Rundfunks,
gegen Akademiker oder Bundesverfassungsrichter? Nein. Der Reflex, der
vom konditionierten Reiz der Hetze ausgelöst wird, er richtet sich gegen
die Rechten, die Rechtsextremen, die Rechtspopulisten, Antisemiten,
Anti-Islamisten, Fremdenfeinde und Rassisten. Alle anderen sind
Hetze-unfähig, verfügen offensichtlich nicht über die kognitiven
Voraussetzungen, um hetzen zu können.Die kognitive Ausstattung eines Menschen, sie wird gewöhnlich ins
Feld geführt, wenn die Überlegenheit der menschlichen Spezies über
andere Tiere begründet werden soll. Die kognitive Ausstattung, sie
ermöglicht es Menschen, zu denken. So geht die Theorie. Über kognitive
Prozessen sind Menschen in der Lage, Informationen zu sammeln,
Schlussfolgerungen zu ziehen, sich ein Urteil zu bilden. So die
Behauptung, die im Widerspruch zu der oben dargestellten Konditionierung
steht.
Was also ist richtig? Sind Menschen intelligente Wesen, deren
kognitive Strukturen sie vor anderen Tieren auszeichnen, oder sind
Menschen leichter zu konditionieren als Tiere und insofern nicht über,
sondern unter deren kognitiver Kompetenz anzusiedeln? Nun, die Antwort
auf diese Frage ist recht einfach. Man muss nur betrachten, ob der
gerichtete Reiz von rechter Hetze, rechtsextremer Hetze oder
antisemitischer Hetze oder … mit dem Anspruch daherkommt, die kognitiven
Prozesse von Menschen anzusprechen.
Und siehe da, das tut er nicht.
Rechte Hetze, rechtsextreme Hetze, rechtspopulistische Hetze, die
Spielarten der gerichteten Reize, sie stehen für sich: Kein Argument,
kein Beleg, kein Beispiel für die Behauptung wird geliefert. So heißt es
z.B. bei
der Amadeu-Antonio-Stiftung:
“on rechtsextremen Gruppen wird zielgerichtet eine
Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung und ihre Vorstandsvorsitzende
Anetta Kahane geführt. Neben täglicher Hetze in sozialen Netzwerken
erreichen die Stiftung Hassbriefe und -E-Mails.”
Kein Beleg, kein Argument, nichts, was auf kognitive Strukturen bei
Adressaten zielen könnte, wird für die Behauptung „rechtsextremer Hetze“
gegeben. Rechtsextreme Hetze wird einzig als gerichteter Reiz
eingesetzt, dessen Ziel darin besteht, den Speichelfluss oder was auch
immer bei Adressaten auszulösen, die entsprechend konditioniert sind.
Oder Heiko Maas, der unter der Überschrift „
Weg mit dem Dreck“, Folgendes sagt:
“Ich habe immer auch klar gemacht, dass wir eine
sachliche Auseinandersetzung miteinander führen müssen. Über eine so
wichtige Frage wie die Flüchtlingsdebatte müssen wir auch miteinander
streiten. Aber wir sollten dabei nicht den gegenseitigen Respekt
voreinander verlieren. Und: Wenn die Debatte nur zur fremdenfeindlichen
Hetze instrumentalisiert wird, müssen wir dies klar benennen.“
Wie qualifiziert sich fremdenfeindliche Hetze? Was unterscheidet
fremdenfeindliche Hetze von einem sachlichen Argument, wo verläuft die
Grenze zwischen fremdenfreindlicher Hetze und anderer Meinung? All diese
Fragen, die an die kognitiven Strukturen appellieren, wie sie in den
Gehirnen von Menschen regelmäßig vermutet werden, sie werden von Heiko
Maas nicht einmal angesprochen. Auch seine Benutzung des Begriffs
„Hetze“ in der Variante fremdenfeindlicher Hetze zielt ausschließlich
auf den Abwehrreiz um bei entsprechend konditionierten Lesern das
Äquivalent des Speichelflusses beim Hund von Pawlow auszulösen,
affektive Zustimmung, Bestürzung über die fremdenfeindliche Hetze, deren
Inhalt man zwar nicht kennt, aber das macht nichts, Hetze ist schlimm
an sich, wenn man auch nicht weiß, was Hetze eigentlich ist, und
natürlich den warm glow, der daraus resultiert, dass man sich auf der
Seite derjenigen wähnt, die Hetze richtig benutzen, auf der Seite der
guten Menschen und, besonders wichtig, auf der Seite derjenigen, die von
den entsprechend Konditionierten für die Obrigkeit gehalten werden.
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