MATHIAS SCHÜTZ
Antisemitismus ist nicht bloß ein in sich geschlossenes Welterklärungsmodell, das es analytisch zu umreißen gilt, sondern ein pathologischer Zwang, Menschen als Juden zu identifizieren, um sie anschließend ermorden zu können. Im Antisemitismus sind Theorie und Praxis notwendig vereint: Der Antisemit kann sich nicht in der Gewissheit, die Welt verstanden zu haben, selbstzufrieden zurücklehnen, sondern ist ein Getriebener, der ständig danach trachtet, zur Tat zu schreiten. Die Voraussetzungen dafür, dass der Antisemitismus sich hemmungslos ausagieren kann, sind daher stets auch institutioneller Natur; wo eine Gesellschaft dem „zur Tat schreiten“ keine Barrieren setzt, hat der Antisemit leichtes Spiel. Existenz, Umfang und Form dieser Barrieren sind – nimmt man die Bekämpfung des Antisemitismus als Maßstab für die Zivilisiertheit einer Nation – Ausdruck der Resistenzkräfte einer bürgerlichen Gesellschaft. Der Kampf der palästinensischen Nationalbewegung gegen den Zionismus war bekanntlich ein antisemitischer.
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