Monday, September 02, 2013

Analyse: Das Ende des Westens

„Präsident Obamas Ankündigung, vom Kongress eine Genehmigung für einen militärischen Schlag gegen Syrien einzuholen, bedeutet das Ende des Westens, das Ende der westlichen Wertegesellschaft, das Ende der amerikanischen Supermacht und ihrer Rolle als Weltpolizist.“ Dani Gillermann, acht Jahre lang Israels Botschafter bei der UNO, hat mit vernichtenden Worten die Glaubwürdigkeit der Amerikaner in Frage gestellt.
Ebenso habe die UNO ihr Ansehen mit der Giftgas-Affäre in Syrien verspielt, Hüter des Völkerrechts zu sein und im Namen der Weltgemeinschaft minimale Standards der Moral umzusetzen, meint Gillerman. Aus eigener Erfahrung als Botschafter Israels hat er am Wochenende im Rundfunk dargestellt, wie „automatische Mehrheiten“ der Blockfreien oder der arabischen Staaten in der Generalversammlung nach Wegen suchen, Israel auszusondern und zu verurteilen, obwohl Verstöße gegen Menschen- und Völkerrecht in Afrika oder in arabischen Ländern umfassender und ungleich schlimmer seien. Im UNO-Sicherheitsrat verfügen fünf ständige Mitglieder über ein Vetorecht. So blockieren sie sich gegenseitig und lähmen die UNO.
Das alles wurde nach der Giftgas-Attacke in Damaskus überdeutlich. Russland und China verhindern wegen eigener Interessen eine amerikanische Einmischung in Syrien. Deshalb erhielten die UNO-Inspektoren nur das Mandat, den Giftstoff zu identifizieren, mit dem fast 1.500 Menschen, darunter Babys und Kleinkinder, qualvoll ermordet worden sind, nicht aber die Täter. Obgleich schon vor Jahren die Fachzeitschrift „Janes“ festgestellt hat, dass Syrien der größte Produzent chemischer und biologischer Massenvernichtungswaffen in der ganzen Welt ist, sollte auf Wunsch der UNO offen bleiben, ob syrische Soldaten unter dem Befehl des Präsidentenbruders Maher Assad die giftgas-gefüllten Granaten abgeschossen haben, oder die Rebellen.

Bisherige Giftgas-Angriffe blieben ungeahndet

Der israelische Korrespondent Eldad Beck hat in der „Jüdischen Allgemeinen“ aufgezählt, dass Giftgas seit dem Zweiten Weltkrieg von Ägypten im Jemen, von Saddam Hussein gegen Kurden in Halabscha, während des Iran-Irak-Krieges von beiden Seiten und von syrischen Sondereinheiten in Darfur im Sudan eingesetzt worden sei. Die Welt habe zu all diesen Fällen geschwiegen. Beck schließt: „Israel darf sich niemals auf die Weltgemeinschaft oder den Westen verlassen.“
Effektiv wäre nach israelischer Ansicht ein schneller und schmerzhafter Schlag mit amerikanischen Marschflugkörpern gewesen. Dazu hätten die Amerikaner jederzeit die Fähigkeit, dank der Präsenz ihrer Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer . Barack Obama hätte als Präsident und Oberbefehlshaber zudem die Vollmacht, einen solchen Schlag zu befehlen. Doch sein langes Zögern und dann der Beschluss, den Kongress um Erlaubnis zu bitten, ließ die Wirkung einer amerikanischen Strafaktion verpuffen.
Marc Schulman vom Onlinedienst „Times of Israel“ erinnert daran, dass der Kongress in seiner Geschichte nur sechs Mal aufgefordert worden war, eine Kriegserklärung zu genehmigen, zuletzt 1941, vor dem Krieg gegen Japan und Nazi-Deutschland.
Zwecks Kriegsvorbereitung wurden die syrischen Staatsmedien gleichgeschaltet. Sie senden „patriotische Lieder“ zur Stärkung der Moral der heldenhaften syrischen Soldaten. Im syrischen Fernsehen wurde eine giftige Satire über den „Angsthasen“ im Weißen Haus gezeigt. Am Montag wurde zudem über weitere syrische Verstöße gegen das internationale Kriegsrecht berichtet, die selbst nicht in Washington und auch nicht bei Menschenrechtsorganisation wie Amnesty International große Beachtung finden werden. Gefangene Rebellen seien in leergeräumte syrische Militärlager verlegt worden, um als „menschliche Schutzschilde“ zu dienen, während Scudraketen und anderes Militärgerät in Schulen und in die Keller von Krankenhäusern gebracht worden seien, um sie vor amerikanischen Angriffen zu schützen.
Der Verlust amerikanischer Glaubwürdigkeit und der Fähigkeit zur Abschreckung ist in der ganzen arabischen Welt zu spüren. Als Beispiele seien hier genannt: das Stottern nach der Ermordung des US-Botschafters Christopher Stevens in Libyen, Obamas schneller Beschluss, Ägyptens Präsident Hosni Mubarak fallen zu lassen, die Diskussion, ob die Absetzung der Muslimbrüder in Ägypten ein Militärputsch war, und jetzt der zögerliche Umgang mit dem Giftgasangriff in Damaskus.
Es kursieren schon Analysen, wonach sich Obama und die Europäer mit den schlimmsten Feinden des Westens und seiner Werte wie Freiheit, Menschenrechte, Demokratie verbündet hätten. Die EU hat nur den „militärischen Arm“ der Hisbollah auf die Terrorliste gesetzt, nicht aber den politischen „Kopf“ dieser Organisation. Und die Amerikaner helfen Al-Qaida, Islamisten, Dschihadisten, Muslimbrüdern und Anderen in Ägypten, indem sie die ägyptischen Militärs strafen.
Partner des Westens, neben Israel auch Jordanien, Saudi-Arabien, die Öl-Emirate und asiatische Länder wie Indien, Japan oder Südkorea, können sich kaum noch auf ihre strategischen Bündnisse mit dem „Westen“ verlassen.

Von Ulrich W. Sahm / INN

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