Die Inszenierung solchen Mitleidtheaters ist in den westlichen
Gesellschaften zum Standardverfahren öffentlicher Kommunikation
geworden, ganz besonders in Deutschland mit seiner traditionell
irrationalen Erregungskultur. Hier ist es sogar möglich, daß ein an sich
renommiertes Stadttheater, nämlich das Schauspielhaus Bochum, die
einstige Wirkungsstätte von Peter Zadek, Claus Peymann, Leander Haußmann
und Matthias Hartmann (um nur einige seiner Direktoren zu nennen) zu
folgender Kunstaktion einlädt:
Ein Lastwagen vom selben Typ wie derjenige, in dem vor einer Woche
die verwesenden Leichen von 71 Flüchtlingen lagen, wird auf dem Vorplatz
des Schauspielhauses für das verehrte Publikum geöffnet. „Kommen Sie
vorbei und machen Sie mit“, heißt es in der Einladung, es werde „die
Möglichkeit geben, den LKW zu betreten und für einen kurzen Moment zu
erleben, wie es sich anfühlt, wenn sich die Türen schließen.“
Das mit dem kurzen Moment ist nett gesagt, darauf kommt es in diesem
Fall tatsächlich an. Die marktschreierische Ausschlachtung eines
entsetzlichen Verbrechens geht hier mit dem lässigen und zugleich maßlos
gehässigen Gestus des Aufklärens und Zeichen-Setzens einher. Der
Fluggesellschaft Germanwings würde man es vermutlich verübeln, wenn sie
in einem Anfall von makabrem Marketing darauf hinwiese, daß sie noch
etliche A320-Maschinen besitze, in denen man der Aura des durch einen
wahnsinnigen Piloten ausgelösten Absturzes nachspüren könne. Bloß bei
Theaterleuten gehört diese atemberaubende Verbindung zwischen der
Geilheit des Sensationellen und der Gutheit der Aktionisten zum
Alltagsgeschäft. Die können sich ja auf Friedrich Schillers Formulierung
„des Vergnügens an tragischen Gegenständen“ berufen.
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