Oskar Deutsch, gemeinhin als nicht sonderlich streitlustiger Präsident
der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien bekannt, hat für hiesige
Verhältnisse völlig Unerhörtes gewagt. Anstatt, wie sich das geziemt,
öffentlich ein feierliches „Welcome refugees“-Bekenntnis abzulegen und
im Übrigen die Klappe zu halten, sprach er aus, was Sache ist:„Die Hunderttausenden, die aus Syrien oder Afghanistan nach Europa
kommen, waren einem über Jahrzehnte zu besonderer Aggressivität
herangewachsenen Antisemitismus ausgesetzt. In Schulbüchern, Zeitungen,
im Fernsehen und sozialen Netzwerken wird Judenhass gelehrt und
eingefordert. Terror gegen Israelis wird in den Herkunftsländern ebenso
bejubelt wie die islamistischen Angriffe auf jüdische Schulen, Synagogen
oder jüdische Museen im Westen. Wie sich der latente Antisemitismus
unter vielen der rund 20Millionen Muslimen in Europa entladen kann,
haben wir in den vergangenen Jahren leider viel zu oft erlebt.“
(„Kurier“, 21.9.15)
Öffentlich davor zu warnen, dass wir mit jenen hunderttausenden
jungen muslimischen Männern, die nun ins Herz Europas strömen, mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch ein gerüttelt Maß an Antisemitismus (und,
nebenbei bemerkt, auch Frauenfeindlichkeit und Schwulenhass)
importieren, das geht im willkommenskulturell getriebenen Klima dieser
Tage nun wirklich nicht. Dass genau dieser rabiate Antisemitismus in den
muslimisch dominierten Teilen von Paris, Antwerpen oder Stockholm
tagtäglich zu besichtigen ist, gilt in diesem Zusammenhang als inhumane
Faktenhuberei, genauso wie der Verweis auf Laufmeter von Studien über
Antisemitismus im muslimisch-migrantischen Milieu Europas.
Längst
haben wir die „Je suis Charlie“-Plakate gegen den antisemitischen Terror
im jüdischen Pariser Supermarkt mit „Welcome refugee“-Sujets überklebt,
das spart wenigstens Papier. Zu fragen, ob unter den „refugees“ auch
welche sind, deren Trauer über die Anschläge auf die Karikaturenzeitung
und den jüdischen Laden in Paris überschaubar war, gehört sich schon aus
Gründen der Pietät nicht.
Dass Herr Deutsch nicht, wie in
derartigen Fällen mittlerweile routinemäßig geschieht, von der Wiener
Twitterblase und dem sich in den Social Media zusammenrottenden
politisch korrekten Religionspolizisten als rechtsradikaler
Helfershelfer der FPÖ denunziert und einer angemessen harten
Beshitstormung unterzogen worden ist, dürfte wohl ausschließlich dem
Umstand zu danken sein, dass er a) Jude und b) Präsident der IKG ist.
Optimisten
halten den Sorgen des IKG-Präsidenten regelmäßig die fromme Hoffnung
entgegen, in Europa würde im Zuge der Integration der zuziehenden
Muslime eine Art von Islam light entstehen, also eine mit dem liberalen
demokratischen Rechtsstaat kompatible Spielart des Islam. Dazu müsste
dieser Euro-Islam einige wenige Prinzipien ohne Wenn und Aber und ohne
jegliche Mentalreservation anerkennen: dass nicht Gott, sondern das
Parlament Quelle der Gesetzgebung ist, dass alle Religionen gleichwertig
sind und es keine bevorrechtete Religion geben kann, dass Männer und
Frauen absolut gleichberechtigt sind, und dass sexuelle Minderheiten zu
respektieren sind.
Nur ein Islam, der das nicht bloß
zähneknirschend, sondern aus innerster Überzeugung heraus akzeptiert,
wird langfristig ein gedeihliches Miteinander erlauben. Das kleine
Problem dabei: ein derartiger Islam wäre mit dem Islam nicht wirklich
kompatibel, denn er stünde frontal im Gegensatz zu dessen tragenden
Elementen. Deswegen denkt auch in den spirituellen Zentren des Islam
kein einziger der ausschlaggebenden Islamgelehrten auch nur eine Sekunde
über dergleichen gottlosen Unfug nach.
Schon allein deswegen,
weil die dortigen Hüter der reinen Lehre mit Recht vermuten, ein derart
weichgespülter Islam würde schnell genauso marginalisiert werden wie das
in Europa schon lang von der Aufklärung eingehegte Christentum. Zu
hoffen, die Sorgen des IKG-Präsidenten würden auf diesem Weg
verschwinden, erfordert daher ein relativ hohes Maß an Naivität. Leider.
diepresse
No comments:
Post a Comment