Tuesday, December 01, 2015

Winterthurer Islamismus-Problem: Stadtrat auf Tauchstation

Vor knapp einem Jahr sorgte die Meldung für Aufregung: Zwei Teenager aus Winterthur waren nach Syrien gereist und hatten sich dort der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Seither kommt die sechstgrösste Schweizer Stadt nicht mehr aus den Negativschlagzeilen heraus. Sie soll ein Tummelplatz für Extremisten sein. Der Kriegsreporter Kurt Pelda schrieb kürzlich in der «Weltwoche» gar von einer «geheimen IS-Zelle» in der Eulachstadt. Fakten zum Winterthurer Jihadismus-Phänomen gibt es bis jetzt nur wenige. Fest steht, dass mittlerweile mehrere junge Männer und eine junge Frau nach Syrien gereist sind. Die Winterthurer stellen bei den Jihad-Reisenden – verglichen mit anderen Schweizer Städten – eine überproportional grosse Gruppe dar. Sie kamen in der Stadt offenbar in Kontakt mit Leuten, die mit dem radikalen Gedankengut des IS sympathisieren. Wer die Hintermänner sind, welche die jungen Leute für den IS rekrutierten, und ob sie im Umfeld der An'Nur-Moschee im Stadtteil Hegi zu finden sind, ist bis heute nicht klar. Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen sind jedenfalls nicht bekannt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es in der Stadt eine aktive Terrorzelle gibt, die Anschläge geplant hätte. Die islamistischen Aktivitäten sind zudem kein Winterthurer Problem, sondern eines, das die ganze Schweiz betrifft. Über siebzig Jihad-Reisende zählt der Nachrichtendienst des Bundes inzwischen. Die Gefahr, dass einige von ihnen einst zurückkehren und hier zur Bedrohung werden, ist real. Der Winterthurer Stadtrat agiert in dieser Angelegenheit ungeschickt. Statt offen zu kommunizieren, verhängte die Stadt eine «Informationssperre» zum Thema Jihadismus und ging auf Tauchstation. Erklärt wurde der Schritt bis heute nicht. Man habe Gründe, hiess es lediglich.
 nzz.ch

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