Mit seinem heute erschienen Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat der deutsche Bundeswirtschaftsminister in der britischen Öffentlichkeit für Furore gesorgt: Herr Schäuble erklärte, Berlin werde sich von den Briten nicht “erpressen” lassen und hat die britische Regierung davor gewarnt, mit einem Referendum über ihre EU-Mitgliedschaft für “Unsicherheit” zu sorgen.
Dazu ist einiges zu sagen.
Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass das Bundeswirtschaftsministerium sich so vollmundig in die deutsche Außenpolitik einmischt. Immerhin sieht es die bewährte Aufgabenteilung so vor, dass dies die Domäne der Diplomatie sei. Aber anscheinend hat man am Werderschen Markt nur geringen Einfluss auf seinen Geschäftsbereich (was angesichts des Guidos an der Spitze nicht wirklich verwundern muss).
Für den Eindruck, den die Worte des deutschen Wirtschaftsministers in Groß Britannien hinterlassen, ist jedoch eins viel entscheidender: Der Ton macht die Musik. Auf diesem Gebiet hat Herr Schäuble sich spätestens seit seinem diplomatischen Dinner als Mann fürs Forte positioniert. Hatte er doch unlängst dem britischen Botschafter zu verstehen gegeben, dass die Regierung Ihrer Majestät es Berlin sehr schwer machen würde, sich in Brüssel als ihr Bewährungshelfer zu inszenieren.
Jetzt hat Herr Schäuble noch einmal nachgelegt und London vor einem EU-Referendum gewarnt. Die Warnung ist, so heißt es ebenso schön wie richtig, die freundliche Seite der Drohung. Nicht allein der britischen Öffentlichkeit dürfte es in lebhafter Erinnerung sein, dass es noch gar nicht so lange her ist, seit London das letzte Mal vor Deutschland “gewarnt” worden ist: zu den Zeiten der Battle of Britain.
Die Briten, so beweist es ein Blick in jedes handelsübliche Lehrbuch der Geschichte, haben sich während des “Blitz” als recht furchtlos und widerstandsfähig erwiesen. Nachdem die Luftwaffe sich damals an ihnen die Zähne ausgebissen hat, bleibt abzuwarten, ob Wolfgang Schäuble mehr Glück mit ihnen haben wird: Ob es dem Bundeswirtschaftsminister gelingt, die Engländer doch noch zur “europäischen” Raison zu bringen?
Wolfgang Schäubles Rede von der “Erpressung” indes scheint in klassischer Fall von Projektion zu sein: Sie unterstellt den uneingestandenen eigenen Triebwunsch dem in der Folge als “feindlich” wahrgenommenen Widersacher und Gegner.
Dass Herr Schäubles Warnungen weniger logisch, sondern viel eher psychologisch sind, belegt ein nüchterner Blick auf die Fakten: Ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft würde keinewegs für Unsicherheit sorgen, sondern genau jene Klarheit bewirken, die sich die britische Öffentlichkeit in dieser Frage wünscht und vor der nicht nur Herr Schäuble sich offensichtlich fürchtet.
Zumindest nach den aktuellen Umfragen wäre das Ergebnis einer solchen Abstimmung entweder eine Begrenzung der Kooperation mit Brüssel auf den gemeinsamen Markt, oder ein britischer Austritt aus der EU. Einen Ausbau der Beziehungen in Richtung auf “mehr Europa” wünscht sich lediglich eine Minderheit von 18% von ihrer Regierung.
Herr Schäuble ist mit seiner Angst vor der öffentlichen Meinung in Groß Britannien nicht allein, zumal sich auch in der britischen Politik etliche europhile Mandatsträger von einer Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft ihres Landes nichts Gutes versprechen können. Die Koalitionsregierung aus Tories und Liberal Democrats könnte zusammen mit dem zu erwartenden Ergebnis eventuell auch ihr eigenes politisches Ende finden.
Die “Unsicherheit”, vor der Herr Schäuble die Briten “warnt”, besteht also weniger im Referendum an sich oder dessen Ausgang, denn der wäre nach allem Dafürhalten klar und eindeutig. Sondern die Unsicherheit scheint einzig und allein darin zu bestehen, dass man auf dem "europäischen" Kontinent noch nicht genau weiß, wie man mit dem Ergebnis einer demokratischen Abstimmung und Entscheidung umzugehen hätte.
Das indes liegt nicht an den Briten, sondern das ist ganz und gar ein Problem von eben diesem “mehr Europa”, eventuell auch ein persönliches Problem von Herrn Schäuble. Wenn dieses fabelhafte “mehr Europa” tatsächlich so eine gute Sache wäre, warum mus man sich als Politiker so sehr davor fürchten, was die Bevölkerung davon hält?
Gerrit Liskow via haolam
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