Saturday, February 08, 2014

Terror in Sotschi: Razzia in Österreich

Es sind beunruhigende Nachrichten, die das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Herbst 2013 aus Russland erreichen. Mehrere in Österreich lebende Tschetschenen würden einen Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in Sotschi im Februar 2014 vorbereiten, berichten die Kollegen vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Der konkrete Verdacht: Ein 31-jähriger Mann, sein Name ist Islam N., soll vom radikalislamischen Rebellenführer Doku Umarow dazu auserwählt worden sein, während der Sportveranstaltung einen Terroranschlag zu verüben.
Gestützt auf die Informationen des FSB beginnt das BVT seine Observation. Seit Oktober 2013 werden Islam N., seine Schwester, vier weitere befreundete Tschetschenen und andere Personen in der österreichischen Diaspora überwacht. Ihre Telefonate werden abgehört, ihre Treffen beschattet, sie werden fotografiert. Nach mehreren Wochen Beobachtung scheint sich der Verdacht zu erhärten. Die Staatsanwaltschaft Wien erteilt Mitte Jänner einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnungen der Tschetschenen.
Im Durchsuchungsbefehl, der der „Presse am Sonntag“ vorliegt, wird von einem „sehr konspirativen Verhalten“ der Verdächtigen gesprochen: Sie würden sich an öffentlichen Orten treffen, um Beobachtungen zu erschweren. Als Argument dienen auch die russischen Ermittlungsergebnisse. Schließlich: „Aufgrund der bisher ermittelten Erkenntnislage [...] ist begründet davon auszugehen, dass die bisher erkannten Verdächtigen tatsächlich solche Tatvorbereitungen unternehmen bzw. an der Umsetzung von terroristischen Anschlägen aktiv mitwirken werden.“ Die Behörden gehen von einem „Anschlagsszenario eher kurz vor den Olympischen Spielen“ aus. Ein Datum für den Zugriff wird bestimmt: der 23. Jänner. Es bleiben zwei Wochen bis zur Eröffnung der Winterspiele.
Wohnungen gestürmt. Donnerstag, 23. Jänner, kurz vor sechs Uhr Früh. Einsatzkräfte der Spezialeinheit Cobra stürmen nach Kenntnis der „Presse am Sonntag“ sechs Wohnungen. Es sind die von Islam N., Aslan N., Alichan M., Apti D., Ajub M. und Birlant D. Österreichweit könnten es mehr gewesen sein. Das Innenministerium schweigt gegenüber der „Presse am Sonntag“ wegen „laufender Ermittlungen“.
Es ist eine konzertierte Aktion mit enormem Personalaufwand. Dutzende Beamte sind im Einsatz. Islam N. und seine Freunde, die im Gespräch mit dieser Zeitung die Vorgänge dieses Tages rekonstruieren, zählen jeweils zehn bis 20 Polizisten vor Ort. Es ist eine Antiterroroperation, von der sich die Ermittler offenbar Funde von Sprengstoff und Anschlagsplänen erwarten. Man hofft, gefährliche Terroristen gefangen nehmen zu können. Doch die Hoffnung bestätigt sich nicht. Am selben Abend, zwölf Stunden später, werden die fünf Männer und die Frau wieder freigelassen. Die gegen sie erhobenen Anschuldigungen werden fallen gelassen.
Es war keine erfolgreiche Operation. Die österreichischen Behörden machten den Einsatz nicht publik. Erst in amerikanischen Medien tauchte vor einigen Tagen überraschend die Information auf, dass es in Österreich und in Frankreich Verhaftungen in Zusammenhang mit geplanten Anschlägen in Sotschi gegeben habe. In Österreich seien sechs Personen kurzzeitig verhaftet und wieder freigelassen worden, berichtete etwa der Fernsehsender CNN am Freitag. Auch von zwei kurzzeitig festgenommenen Frauen in Frankreich war die Rede. Die Verhaftungen wurden in Zusammenhang mit in Zahnpastatuben geschmuggeltem Sprengstoff gestellt. Der Zahnpastaverdacht spielte aber bei den der „Presse am Sonntag“ bekannten Ermittlungen keine Rolle. Dafür aber andere Vorwürfe.
diepresse

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