Kann einer Parlamentspräsident – also ein Vertreter aller Abgeordneten – und zugleich Spitzenkandidat seiner Partei für die Führung jener Institution sein, die das Parlament kontrollieren soll? Martin Schulz (SPD) versucht diesen Spagat gerade. Er ist einerseits Präsident des Europäischen Parlaments, andererseits seit Kurzem der Kandidat der europäischen Sozialdemokraten für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten.
Das geht nicht, sagen die europäischen Liberalen und fordern Schulz auf, sein Amt im Wahlkampf ruhen zu lassen. Schulz könne "die Interessen der Abgeordneten nicht glaubwürdig vertreten, wenn er gleichzeitig gegen die große Mehrheit von ihnen Wahlkampf betreibt", findet der Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament, Alexander Graf Lambsdorff, der als Spitzenkandidat der Liberalen ins Rennen geht.
Auch die konservative EVP und die Europäischen Grünen legten Schulz nach seiner offiziellen Nominierung nahe, die Aufgaben des Parlamentspräsidenten bis zur Wahl am 25. Mai an seinen Stellvertreter zu übergeben. Doch dieser sieht dazu keine Veranlassung. Nun nährt ein Vorfall Zweifel, ob Schulz tatsächlich noch neutral genug für das Amt des Parlamentspräsidenten ist.
Auf dem Nachrichtendienst Twitter widmete Schulz seinen bisherigen Account einfach um: Aus dem Präsidentenprofil wurde das des Spitzenkandidaten, aus der Beschreibung "President of the European Parliament" die Angabe "I am the @PES_PSE candidate for President of the @EU_Commission in #EP2014". Der in den Europafarben gehaltene Hintergrund wurde inzwischen gegen ein sozialdemokratisches Rot ausgetauscht.
Das hat einen ganz praktischen Vorteil: Auf diese Weise hat der Kandidat Schulz auf einen Schlag 78.600 Follower für seine Kampagne – eine Zahl, die man selbst als Promi-Politiker meist nur durch jahre- oder zumindest monatelange Aktivität in dem Netzwerk gewinnen kann.
Dass diese Follower ursprünglich dem Parlamentspräsidenten Schulz folgten, scheint den SPD-Politiker nicht zu stören. Wer sich weiterhin über die Aktivitäten in seiner Funktion als Präsident informieren will, muss dafür einem neuen Account folgen: @EP_President.
Der wurde am 1. März angelegt und hat bislang rund 2000 Follower. Die Linke forderte deshalb nun auch Konsequenzen. "Es wird immer klarer, dass Martin Schulz sein Amt als Parlamentspräsident für den Wahlkampf missbraucht", sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping der "Welt". Schulz schade damit dem Amt und solle es "für die Zeit des Wahlkampfs niederlegen".
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