Tuesday, March 25, 2014

Wiesbaden: Kultureller Rabatt für „Ehrenmord“

Das Landgericht Wiesbaden konnte am Montag im Fall des Deutsch-Afghanen Isa S. keine „besondere Schwere der Schuld“ erkennen. Am 5. Februar vergangenen Jahres hatte der Muslim seine schwangere ehemalige Freundin mit drei Messerstichen hinterrücks erstochen. Er hatte die Beziehung zu der Deutsch-Amerikanerin seinen Eltern verheimlicht, weil er befürchtete, dass sie die Verbindung nicht gutheißen würden. . Als die junge Frau ihm mitteilte, dass sie von ihm schwanger sei, wollte er sie zu einer Abtreibung zwingen, sonst werde sie „den Afghanen in ihm“ kennenlernen. Sie aber wollte das Kind behalten und es auf keinen Fall islamisch erziehen. Das Gericht verurteilte Isa S. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Angeklagte, zum Zeitpunkt der Tat 23 Jahre alt, sei aber noch „recht ungefestigt“; außerdem habe er sich „aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden“. So begründete der Vorsitzende Richter den Verzicht darauf, die „besondere Schwere der Schuld“ festzustellen. Die Staatsanwaltschaft hatte dies gefordert, auch um eine Haftentlassung auf Bewährung nach 15 Jahren unmöglich zu machen. Birgitta Biehl, Rechtsanwältin aus Köln und zweite Vorsitzende des Vereins „Peri e.V.“, ist nach dem Ende des Prozesses nicht besonders überrascht, aber dennoch empört. „Wenn der Täter Christ oder Atheist gewesen wäre, würde seine Schuld schwerer wiegen?“, fragt sie. Den kulturellen Rabatt, der Tätern wie Isa S. gewährt wird, stellt sie in Frage: „Der Mann ist hier aufgewachsen und hier zur Schule gegangen; er hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Er musste wissen, welche Regeln hier gelten. Es war auch keine Frage mangelnder Bildung; der Mörder war Student.“ Der Verein „Peri“ (zu Deutsch: „Die gute Fee“) hilft jungen Frauen, die von einer Zwangsheirat bedroht sind. Biehl hat den Prozess von Anfang an beobachtet und darüber auf der Internetseite ihres Vereins berichtet. Seit zwei Jahren besucht sie sogenannte Ehrenmord-Prozesse, um über die Muster zu informieren, die hinter solchen Taten stecken. Vier Prozesse hat sie bisher begleitet; den Anfang machten die Verhandlungen gegen die Familie der jesidischen Kurdin Arzu Özmen in Detmold. In der Nacht zum 1. November 2011 war die 18 Jahre alte Frau von ihren fünf Geschwistern aus der Wohnung ihres deutschen Freundes entführt und an einem unbekannten Ort von ihrem Bruder Osman durch zwei Kopfschüsse ermordet worden.
faz

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