Fast 40 Jahre nach dem Selbstmord von drei RAF-Gefangenen wird mit Beate Zschäpe eine Staatsfeindin präsentiert, die weder auf ein für sie eintretendes Sympathisantenumfeld zählen kann, noch auf ein Mindestmaß menschlicher Anteilnahme in der Öffentlichkeit. Bei ihr sind sich alle einig: Sie ist die mordende Nazi-Braut, ein Monster. „Der Teufel hat sich schick gemacht“, titelte die Bildzeitung am ersten Prozesstag im November 2013 und auch andere Zeitungen wussten Haltung und Kleidung der Angeklagten als Ausdruck teuflischer Gesinnung auszulegen: „Die Luft ist zum Schneiden dick – und die Angeklagte provoziert durch eine beinahe fröhliche Körpersprache.“ (Frankfurter Rundschau auf Facebook) „Beate Zschäpe erscheint durchaus selbstbewusst im Raum. [...] Sie trägt einen schwarzen Hosenanzug und eine weiße Bluse und würde auf der Straße trotz ihres blassen Gesichts als eine adrette Vertreterin der besseren Stände durchgehen. […] Später wird sie häufiger mal lächeln, entspannt, manchmal beinahe fröhlich wirken.“ (FR) Der Integrations- und Migrationssprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag kritisierte auf Phönix: „Sie kümmert sich sehr um ihr Aussehen und ob sie gut ins Bild kommt“ und die Taz konstatierte anlässlich des Prozessauftaktes: „Besonders das Auftreten von Beate Zschäpe, die in den Saal schritt, als wäre sie auf einem Catwalk, war anfangs kaum zu deuten.“
In den Wochen nach ihrer Festnahme glaubte man noch zu haben, was zu einer Nazi-Braut gehört: Ein unvorteilhaftes Frontalphoto, auf dem Zschäpe schwammig, aufgedunsen und mit ziemlich debilem Gesichtsausdruck zu sehen ist. Umso größer war dann die Empörung, als sich Zschäpe in der Hauptverhandlung nicht als pöbelndes, geiferndes Monster, sondern als schlanke, gutaussehende Frau präsentierte, die sich relativ elegant zu kleiden weiß und dazu auch noch regelmäßig ihre Garderobe wechselte. Alle Berichte zielten in die gleiche Richtung: Wie kann sie es wagen, nicht in Sack und Asche zu gehen! Jedes Lächeln, jede unbefangene Geste wurde als Ausdruck ihres eiskalten, unverschämten Wesens ausgelegt. Der Blickkontakt mit einem Polizisten: eine Dreistigkeit; ein Wortwechsel mit den Verteidigern: eine Unverschämtheit gegen die Angehörigen der Opfer. Noch ihr Schweigen und ihre ruhige, unaufgeregte Art, dem Prozessverlauf zu folgen, wurden gegen sie ausgelegt. Dabei dürfte es doch nicht verwundern, dass Beate Zschäpe die relative Freiheit im Strafgerichtssaal als Abwechslung genießt. Zwei Jahr Untersuchungshaft bis zum Prozessbeginn bedeuteten für sie zunächst 23 Stunden am Tag Einschluss in der Einzelzelle mit Dauerbeleuchtung, 60 Minuten Hofgang allein und bis zum Januar 2013, also 14 Monate lang, auch Gespräche mit ihren Verteidigern nur durch die Trennscheibe.
Beate Zschäpe braucht eine starke Verteidigung
Dass Richter, Staatsanwaltschaft und Nebenkläger bei spektakulären Prozessen die Verteidiger oft als lästige Störer empfinden und danach trachten, sie auch so zu behandeln, ist weder neu noch ungewöhnlich. Dies gilt umso mehr, wenn die Verteidiger sich nicht lediglich als Begleiter einer unabwendbaren Verurteilung begreifen, sondern vom öffentlichen Druck unbeeindruckt die prozessualen Rechte des Angeklagten hochhalten, also eine echte Verteidigung versuchen. Das beinhaltet, solange Zweifel an der Tatbeteiligung des Angeklagten bestehen, die Unschuldsvermutung hochzuhalten und darauf zu beharren, dass das Gericht erst am Ende des Strafprozesses und unter Würdigung aller Fakten entscheidet. Verteidiger verfallen immer dann der Feinderklärung, wenn die Öffentlichkeit zu wissen glaubt, dass nur Geldgier oder eine Verstrickung in die böse Welt des Angeklagten sie antreibt, aus dem eigentlich doch gebotenen kurzen Prozess mit angeblich miesen Tricks einen langen zu machen. Der Typus des skrupellosen, geld- und karrieregeilen Verteidigers, der auf Kosten des Steuerzahlers angeblich in Münchener Nobelhotels absteigt und dort rauschende Feste feiert, ist in der öffentlichen Wahrnehmung des Zschäpe-Prozesses genauso präsent, wie der die Justiz verhöhnende sinistre Gesinnungsgenosse der Täterin: Der Terroristenanwalt.
Der Fall Zschäpe ist aber gerade kein klarer Fall. Die Angeklagte ist nicht geständig und versucht auch nicht, den Gerichtssaal als Bühne für politische Botschaften zu nutzen. Vor allem aber: Sie kann bislang nicht, etwa wegen einer erdrückenden Beweislast, als so gut wie überführt gelten. Im Gegenteil steht die Anklage in den entscheidenden Punkten, der Zschäpe unterstellten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und, damit teilweise zusammenhängend, ihrer Mittäterschaft an der Ermordung von zehn Menschen, auf ziemlich wackeligen Beinen. Mit Sicherheit wird Beate Zschäpe zu einer langen Haftstrafe verurteilt werden, ob sie jedoch wegen Mordes oder der Beihilfe zum Mord in jeweils zehn Fällen verurteilt wird, oder gar „nur“ wegen schwerer Brandstiftung, bedeutet den kleinen Unterschied zwischen lebenslänglicher Haft ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung, oder einer Höchststrafe von 15 Jahren. Der Rechtsanwältin Anja Sturm ist deshalb zustimmen: „Frau Zschäpe braucht eine starke Verteidigung, und die möchte ich ihr geben. […] Wenn ich das Gefühl habe, die Person, die ich vertrete, sieht sich der Übermacht des Staates ausgeliefert, dann gebe ich alles. Hilflosigkeit ist ein wichtiger Ansporn für mich.“ (Zit. n. Brigitte, 09/2013) Damit hat sie nur die Aufgabe jedes Verteidigers zum Ausdruck gebracht, das Beste, das in der jeweiligen Situation möglich ist, für den Mandanten zu erreichen – gerade dann, wenn ein Prozess zum Politikum verkommt.
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