Ach, wissen Sie, was da typischerweise vorgefallen ist? Ein farbiger
Junge musste sich „Schokoriegel“ oder ähnliches rufen lassen. Ich habe
eine große Stichprobe dieser Beschwerden analysiert und festgestellt,
dass sie zumeist alltägliche Beleidigungen unter Kindern betreffen, die
zu „Rassenfragen“ aufgeblasen werden. Und was müssen die Lehrer dann
tun? Sie müssen zwei siebenjährige Dreikäsehochs, die ihren Streit schon
lange vergessen haben, zu sich kommen lassen, um mit ihnen ihre
Rassenunterschiede durchzugehen. So wird Rassismus durch Antirassisten
aufrechterhalten.
Man könnte auch behaupten: Ohne diese Politik hätte man mehr Rassismus.
Das behaupten in erster Linie die für diese Politik und diese
Kampagnen Verantwortlichen. Sie müssen ihre Arbeit ja irgendwie
rechtfertigen und weisen dabei gerne auf Einzelfälle hin, die nur „die
Spitze des Eisbergs“ seien. Es gibt aber gar keinen Eisberg! Sie wollen
mit ihren Regeln und Eingriffen den Anfängen des Rassismus wehren – es
fehlt aber der Rassismus, dessen es sich zu erwehren gälte. Eher läuft
es darauf hinaus, dass sie damit den Rassismus erst anheizen.
Vielleicht ist den Opfern von Rassismus daran gelegen, dass rassistische Auslassungen auf klare Ablehnung stoßen.
Was die betreffenden Minderheiten damit erreichen, ist sehr fraglich.
Eine strenge Antirassismuspolitik reduziert den Menschen auf ein
zurückgebliebenes Herdentier, das die Absicht hinter bestimmten
Äußerungen nicht zu erkennen vermag. Eine solche Politik verstärkt die
Vorstellung, dass wir Menschen im Kern schwach sind und ständig Gefahr
laufen, emotionale Schäden davonzutragen, weil jemand irgendein Wort
benutzt, das als rassistisch gilt. Die Antirassisten schaffen so eine
Kultur, in der man sich sofort als Opfer fühlt, wenn man eine hässliche
Bemerkung an den Kopf geworfen bekommt. Eine Kultur, in der man sich an
den Schutzmann oder den Therapeuten wenden muss, wenn man auf dem
falschen Fuß erwischt wird. Eine Kultur, in der man schon gar nicht
selbst nachdenken oder selbst handeln soll, wenn man beleidigt wird. Ich
bezweifle stark, dass uns das weiterbringt.
Eine Schaffnerin der belgischen Eisenbahn hat im letzten Jahr zwei afrikanische Fahrgäste sehr rassistisch behandelt. Wie soll man da reagieren?
Natürlich gibt es noch ein paar Schwachköpfe, die sich rassistisch
äußern, aber dann kriegen die eben Kontra. Was in dem Fall übrigens
passiert sein soll, soweit ich weiß. Und so gehört sich das auch. Wir
müssen den moralischen Mut entwickeln, Rassismus selbst zu bekämpfen,
wenn wir ihm begegnen. So macht man das bei untauglichen Ideen und
Überzeugungen.
Sie waren in Ihrer Studienzeit selbst als Antirassismusaktivist tätig.
Worin liegt der größte Unterschied zwischen damals und heute?
Darüber können Sie sich offenbar aufregen.
„Die moderne Antirassismuspolitik bedeutet einen Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit“
Sie waren in Ihrer Studienzeit selbst als Antirassismusaktivist tätig.
Ja, das war damals von ganz anderer Bedeutung als heute. Das waren
andere Zeiten. Es gab viel mehr rassistische Morde und ihnen wurde weit
weniger mediale Aufmerksamkeit und öffentliche Abscheu zuteil als
heutzutage.
Worin liegt der größte Unterschied zwischen damals und heute?
Man konnte niemandem vertrauen. Rassismus herrschte beim Nachbarn,
der Polizei, beim Lehrer, den Journalisten, bei allen. Unsere Losung
lautete: „Fighting racism: it’s up to us.“ Wir mussten selbst
handeln. Wie sich die Zeiten geändert haben: Heute liegt die
Rassismusbekämpfung bei allen möglichen staatlichen Einrichtungen und
subventionierten Lobbyisten, die offenbar viel aufgeklärter und
zivilisierter sind als wir selbst, der Pöbel. Durch ihre Politik
verstärken sie noch die Rassenidentität. Also stoßen wir uns nicht mehr
spontan an Beleidigungen, sondern suchen aktiv nach ihnen, um dadurch
Anerkennung für unsere schwache Position zu erzwingen. So bildet die
moderne Antirassismuspolitik einen Frontalangriff auf die
Meinungsfreiheit.
Darüber können Sie sich offenbar aufregen.
Ja, denn hier geht es um unsere Freiheit, nicht ständig vom Staat
vorgeschrieben zu bekommen, was wir sagen dürfen und was nicht. Man
arbeitet an einer Orwell’schen Gesellschaft voller braver Bürger. Da
lebe ich doch lieber in einer Welt, in der auch ich ab und zu beleidigt
werde.
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