Es ist eine schier unglaubliche Geschichte: Ein junges Paar, wohnhaft am Schweizer Bodenseeufer, zieht nach Syrien, er zuerst, im Spätsommer 2014, sie wenig später, bereits schwanger. Er, ein Logistik-Fachmann, schliesst sich dem Al-Qaida-Ableger Nusra-Front an, und er zwingt sie, im Bürgerkriegsland zu bleiben, wo sie ihr Kind gebärt. So schildern das Schweizer Fernsehen und die Stuttgarter Nachrichten den Fall eines 21-jährigen türkischstämmigen Thurgauers und einer 22-jährigen Tübingerin, die zum Islam konvertiert ist.
Unglaublich sind nicht nur die Fakten, sondern auch die angeblichen Motive für die Reise. «Sie glaubte fest an einen erholsamen Urlaub vor der Geburt des gemeinsamen Kindes», schreiben die «Stuttgarter Nachrichten». Was mit einer gehörigen Portion Naivität verbunden wäre. Der Fall beschäftigt die Baden-Württemberger und die schweizerischen Ermittlungsbehörden. Die Bundesanwaltschaft in Bern bestätigt auf Anfrage, dass sie seit November 2014 eine Strafuntersuchung führt: «Der Mann gilt als mutmasslicher Jihadreisender. Er hat die Schweiz im Herbst verlassen und wird verdächtigt, nach Syrien gereist zu sein, um sich dort einer terroristischen Organisation anzuschliessen.» Sprecherin Jeanette Balmer sagt aber auch: «Die mutmassliche Festhaltung der Frau aus Tübingen in Syrien ist nicht Gegenstand der schweizerischen Ermittlungen.» Die TV-Sendung «Rundschau» kündigt an, sie werde Tondokumente ausstrahlen, in denen die Frau ihre Familie anfleht: «Ich will nach Hause, bitte helft mir.» Die Rede ist davon, dass sie festgehalten und misshandelt werde. Ihr Mann prahlt in einer anderen Aufnahme: «Ich bin hergekommen, um die Köpfe der Kufar abzuschlagen. Ich bin bereit.» Mit Kufar sind Ungläubige gemeint.Die Verbindung der beiden entstand gemäss dem Schweizer Fernsehen über eine Heiratsvermittlung, doch beide haben Kontakt gehabt zum Verein «Lies – die wahre Religion». Die Lies-Leute sind für ihre Koranverteilungen bekannt, die sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz stattfinden. Mehrere Islamisten, die an den Aktionen beteiligt waren, sind mittlerweile in den Jihad gezogen, so auch der 1995 eingebürgerte Schweiz-Türke aus dem Thurgau.
Nach der Heirat in einer radikalen Moschee in Stuttgart und auf einem Thurgauer Standesamt hatte er laut «Rundschau» 2013 mit seiner vollverschleierten Frau in Arbon gewohnt. Die Mietwohnung am Bodensee wurde von den Behörden versiegelt. Die Ex-Bewohner sollen sich mit ihrem Baby in Nordsyrien befinden. Das Gebiet ist umkämpft.
tagesanzeiger
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