Die Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des
Abendlandes) wird weiterhin Zulauf haben. Davon geht der
Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt (Dresden) aus. Wie er auf
Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea sagte, hat die Politik
es versäumt, die Sorgen dieser Bürger ernst zu nehmen und darauf
einzugehen. Dabei gehe es nicht darum, sich mit Pegida-Organisator Lutz
Bachmann an einen Tisch zu setzen oder mit jedem einzelnen
Sympathisanten zu sprechen, so Patzelt: „Aber unsere Politiker müssen
offen und ehrlich über das reden, worüber bei Pegida gesprochen wird –
nämlich über den Wandel Deutschlands zu einer Einwanderungsgesellschaft,
über den Kulturwandel, der damit einhergeht, und über die
Verteilungsängste vieler Menschen.“ Indem sie das versäumt hätten, sei
es ihnen gelungen, „aus Besorgten Empörte zu machen und aus Empörten
teils Gegner unseres politischen Systems“.
In der Politik war der Ton gegenüber der Pegida-Bewegung zuletzt
schärfer geworden. So bezeichnete Bundesinnenminister Thomas de Maizière
(CDU) die Pegida-Organisatoren als „harte Rechtsextremisten“. Auch
Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht Neonazis am Werk. Vizekanzler
Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einer „in Teilen offen rechtsradikalen
Empörungsbewegung“, die „zum Reservoir rassistischer
Fremdenfeindlichkeit geworden“ sei. Zum ersten Jahrestag der Bewegung
hatten sich am 19. Oktober in Dresden 20.000 Anhänger versammelt. Für
einen Eklat sorgte dabei der deutsch-türkische Autor Akif Pirincci. Er
erklärte, es gäbe natürlich andere Alternativen mit Deutschen umzugehen,
die mit der aktuellen Integrationspolitik nicht einverstanden seien:
„Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Wegen dieses Satzes
ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen möglicher
Volksverhetzung.
Wie Patzelt idea sagte, dürfen für diese „unsäglichen Äußerungen“ aber
nicht sämtliche Pegida-Sympathisanten in Sippenhaft genommen werden:
„Nicht die Demonstranten haben das gesagt, sondern Herr Pirincci.“ Gegen
Ende von dessen Rede hätten viele Anwesende „Aufhören, aufhören“ oder
„Keine Hetze“ skandiert. Patzelt: „Diese Aussagen eines einzelnen mit
dem Pegida-Bündnis in eins setzen zu wollen, wäre so, als behauptete
jemand, die RAF habe exemplarisch für die gesamte 68er-Studentenbewegung
gestanden.“ Kritik übt der Politikwissenschaftler auch an den deutschen
Medien. Sie berichteten in diesem Zusammenhang nicht objektiv,
verdrehten manchmal sogar Tatsachen. So sei nach der jüngsten
Versammlung gemeldet worden, die Polizei habe einen Mob radikalisierter
Pegida-Anhänger nur schwer in Schach halten können: „Tatsächlich war es
umgekehrt: Gegendemonstranten hatten die Pegida-Demonstranten
eingekesselt, und die Polizei musste diesen mühsam Abmarschwege öffnen
und freihalten.“ Auch trennten viele Journalisten nicht zwischen
Nachricht und Kommentar, was es Außenstehenden erschwere, sich eine
eigene Meinung zu bilden. Ausländische Medien berichteten deutlich
nüchterner, so Patzelt.
In den Kirchen sieht Patzelt aus verschiedenen Gründen keine
Brückenbauer. Zum einen seien die meisten Pegida-Anhänger nicht
religiös, fürchteten vielmehr einen zu starken religiösen Einfluss auf
das gesellschaftliche Leben: „Warum sollten sie dann gerade mit den
Kirchen ins Gespräch kommen?“ Zum anderen hätten sich die Kirchen
beizeiten sehr einseitig positioniert, was sie in Teilen der
Pegida-Anhängerschaft, etwa aus dem Erzgebirge, Vertrauen gekostet habe.
idea.de
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