Sunday, May 18, 2014

Putsch im eigenen Haus: Youroop, wie es leibt und lebt

von Gerrit Liskow
Was man sich über den Machtwechsel von Berlusconi an Monti und von Papandreous an Papademos auf dem vorläufigen Höhepunkt der Eurokrise schon denken konnte, wird nun von diversen Tatsachenberichten aus erster Hand bestätigt: Nämlich, dass die EU zwei ihrer Regierungschefs auf kurzem und undemokratischem Amtsweg absägte, weil sie ihrer Währungsunion und ihrem Traum von „mehr Europa“ im Wege standen.
Ex-US-Finanzminister Tim Geithners „Reflektionen über Finanzkrisen“ sowie ein Buch des ehemaligen italienischen Delegierten im Vorstand der EZB, Lorenzo Bini-Smaghi, zeichnen ein schillerndes Panorama von den inneren Zuständen jener Brüsseler Beamtendiktatur, die „Europa“ regiert, indem sie sich die Regeln passend zur Situation erfindet, ohne sich sonderlich um Recht und Gesetz zu scheren, gleichzeitig aber auf unterstellte Demokratiedefizite anderer Staaten ausgesprochen allergisch reagiert - vermutlich um von der prekären Legitimität ihrer eigenen Machenschaften abzulenken.
Ich denke dabei vor allem an die Avancen, die offizielle Würdenträger der EU dem IWF machten, als es um die Verlängerung von Krediten an Italien im Herbst 2011 ging. Die EU, so Tim Geithner in seinem Buch, hatte damals kategorisch verlangt, dass der IWF solange keine neuen Kredite an Italien vergibt, bis Berlusconi aus dem Amt entfernt wird.
Immerhin hatte Berlusconi zuvor mit dem Rückkehr zur Lira gedroht und dem weichen Unterbauch der „Festung Europa“ damit fast den Stützverband weggerissen, der die finanzielle Schwabbelmasse der Eurozone gerade zusammen hielt. Natürlich wusste die Brüsseler Schnitzelpiste sofort, was Berlusconi plante: Washington abkassieren und mit der IWF-Kohle in den Lira-Sonnenuntergang reiten.
Der Plan ist ihm schlecht bekommen, denn umgehend wurde auf deutschen Wunsch Super Mario installiert, während die germanische Soraya-Presse eine Bunga-Bunga-Hetzgeschichte nach der nächsten über Berlusconi lancierte. Immerhin konnte das alternative deutsche Kleinbürgertum dank des unverhältnismäßig breitgetretenen Berlusconi-Skandals abgelenkt und über die Tatsache hinweggetröstet werden, dass seine Existenz zwischen Tofupaste und Energiesparlampen irgendwie doch ziemlich öde ist.
Doch zurück zur Sache: „Sie verlangten, dass wir keine IWF-Kredite an Italien vergeben, bis Berlusconi zurückgetreten ist“, schreibt Tim Geithner, und er scheint angesichts der leutselig zur Schau gestellten Demokratiedefizite eines halben Kontinents sowie der absolut evidenten moralischen Verkommenheit der EU überrascht gewesen zu sein; für alle, die den Kummer namens Youroop aus eigenem Erlebnis kennen, ist das bloß business as usual und einigermaßen typisch für eine Kommission, die 500 Millionen Menschen regiert, indem sie sich ihre „Gesetze“ so zurechtspinnt, wie sie ihr gerade in den Kram zu passen scheinen.
Geithner quittierte das Berlusconi betreffende Anliegen der Brüsseler Beamtendiktatur mit dem Hinweis auf gewisse demokratische Gepflogenheiten im Umgang mit gewählten Regierungen und der Einlassung, man wolle „kein Blut an den Händen haben“ – was die Königsmörder der EU natürlich nicht im mindesten aus dem Konzept brachte; vermutlich, weil sie allein schon inhaltlich gar nicht verstanden, warum der Herr vom IWF auf einmal so pingelig wurde. Immerhin sind sowohl Jean-Claude Juncker, der für die EPP EU-Zar werden möchte, als auch sein SPD-Pendant aus Germany, Martin Schulz, taub für die praktischen Implikationen des Wortes Nein, sofern das Wahlvolk es äußert.
Nun, der Rest ist Geschichte. Berlusconi wurde auf deutschen Wunsch in die Wüste gejagt und die in Würde versauerten Ökopathinnen und Ökopathen im Milieu zwischen taz und FAZ holten sich in ihrer Rage über „Sex-Partys am Swimmingpool mit Prostituierten“ noch wochenlang moralisch einen runter, indem sie sich über einen gelifteten und an der Prostata operierten Greis echauffierten, der trotz seines Gesundheitszustandes immer noch mehr Spaß hatte, als man und frau im krautigen Öko-Milieu jemals wird haben dürfen, vor allem in Germany.
Die Gestaltung der Machtübergabe vom einen Papadingsda an den anderen in Hellas gestaltete sich vergleichsweise unspektakulär: Kaum hatte der erste Papa angekündigt, dass er beabsichtige, doch tatsächlich die Bevölkerung über jenen Sparkurs abstimmten zu lassen, der ihm von Brüssel am Berlin aufgenötigt wurde, da war er auch schon in der Versenkung verschwunden und durch den zweiten Papa ersetzt – so schnell kann Demokratie gehen, seit es sie aus ihrer Heimat nach Belgien verschlagen hat.
Natürlich hielt man sich in beiden Fällen ans Protokoll und ließ den jeweiligen Staatspräsidenten die Bestellung des neuen, von Brüssel und Berlin ausgesuchten Personals bestätigen und dem für dumm verkauften Volk verkündigen; genau, wie man es in der Ukraine gemacht hat, und dabei ist die – noch! – nicht einmal Teil der EU.
Wie der Putsch der Brüsseler Bande gegen zwei demokratische Regierungen ablief, lässt sich im Detail in Peter Spiegels Bericht in der Financial Times nachlesen. Besonderes Highlight der langen Nacht der G20 in Cannes: Die Stelle, wo Mutti vor versammelter Mannschaft in Tränen ausbricht und greint, dass sie sich „doch nicht“ umbringen wird. Frau Beimer aus der Lindenstraße hätte es nicht schöner sagen können, aber war das nicht vielleicht ein kleines bisschen für die billigen Plätze geheult, Frau Bundeskanzlerin?
Ich persönlich habe ja schon lange den Verdacht, dass Mutti es faustdick hinter den Ohren hat und in Wahrheit ein Talent zu jener Ma Barker hat, aus der bei Boney M. eine puppenlustige Ma Baker wurde; Berlusconi und der Papadingsda sind jedenfalls nicht ihre ersten „politischen“ Opfer und sicherlich nicht ihre letzten.
Das Panorama deutscher EU-Politik wird abgerundet durch die Details über die beiden Arbeitsgruppen, die auf deutschen Wunsch gebildet wurden um die Risiken eines Auseinanderbrechens der Eurozone zu bewerten und ihnen strategisch zu begegnen: Der Name des einen Teams lautete offenbar „Domino“, das andere hörte auf den poetischen Namen „Wundbrand“.
Team „Domino“ ging davon aus, dass nach einer Griechenlandpleite weitere Staaten „umkippen“ würden (Spanien, Italien, Portugal, Irland, in keiner spezifischen Reihenfolge) und setzte sich letztlich mit seiner „Griechenlandrettung“ durch.
Die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geführte Arbeitsgruppe „Wundbrand“ ging davon aus, dass die Vergiftung der Großwesteuropäischen Wohlstandssphäre im Zuge der Griechenlandpleite nur durch eine Radikalkur abzuwenden wäre: durch die sofortige Amputation des infizierten Körpergliedes! Also: Eine „Entsorgung“ Griechenlands, als würde es sich dabei um infektiösen Klinikabfall handeln.
Da sieht man wieder mal, wie diese Leute denken. Die EU, scheint es, hat kein Demokratiedefizit, sondern sie ist ein Demokratiedefizit.
haolam

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