Monday, June 30, 2014

Spendenverein unter Salafismus-Verdacht

"Mit ihrer Hilfe lindern wir das Leid der hilfsbedürftigen Bevölkerung Syriens", verspricht der Verein Medizin ohne Grenzen e.V. (MoG) auf seiner Homepage. Nicht nur der Name des Vereins, dessen Adresse in St. Augustin bei Bonn ist, erinnert an professionelles Spendenmarketing. Von der Verteilung von Nahrungsmitteln über medizinische Versorgung bis hin zu Waisen-Patenschaften im Bürgerkriegsgebiet bietet der 2013 ins Siegburger Register eingetragene Verein eine breite Palette von Hilfe für Syrien. Doch der humanitäre Schein trügt. Nach Recherchen von hr-iNFO gibt es enge persönliche und ideologische Verbindungen von Akteuren des Vereins mit Vertretern radikal-salafistischer Kreise. Der Projektmanager des Vereins ist mit dem Prediger Braihm Belkaid verwandt. Dieser gilt unter dem Kampfnamen Abu Abdullah als Scharnier zur militant-dschihadistischen Szene in Deutschland. Abu Abdullah gilt als einer der radikalsten Prediger des Missionierungsnetzwerks Die Wahre Religion (DWR), das hinter den umstrittenen Koran-Verteilungen stehen soll. Internet-Einträge legen nahe, dass die beiden Brüder in der salafistischen Szene mit dem Verein identifiziert werden. Abu Abdullah präsentierte sich 2013 selbst bei Spendenverteilungen in Syrien, ist aber inzwischen in den Hintergrund getreten. "Das Engagement der Brüder bei MoG lässt darauf schließen, dass hier mit verteilten Rollen agiert wird: Der eine sorgt für die ideologische Ausrichtung und der andere für die organisatorische Umsetzung", sagt Claudia Dantschke, Leiterin der Arbeitsstelle Islamismus und Ultranationalismus bei der Gesellschaft Demokratische Kultur in Berlin. Auch von anderen Predigern radikal-salafistischer Kreise wird dazu aufgerufen, den Verein zu unterstützen. "Wenn man bei Facebook das Umfeld von Medizin ohne Grenzen und der handelnden Personen durchgeht, tauchen immer wieder Bezüge auch zur dschihadistischen Szene auf", so Dantschke. Dem Verein ist es anscheinend gelungen, in den vergangenen Monaten ein bundesweites Unterstützer-Netzwerk aufzubauen. Von Aachen über Berlin, Köln, Stuttgart bis München werden auf der Homepage merh als 30 Städte und ein Landkreis genannt, in denen offenbar Kontakte für die Annahme von Spenden hergestellt werden können. Unterstützer des Vereins sammeln Geld durch Kuchenverkauf in der Bonner Fußgängerzone, organisieren einen Flohmarktstand in Eschborn bei Frankfurt am Main oder die Internet-Versteigerungen eines Ganzkörperschleiers. Die Hauptschwerpunkte der Aktivitäten liegen dabei in den beiden Hochburgen der salafistischen Bewegung, dem Köln-Bonner Raum und dem Rhein-Main-Gebiet. Mitte Juni hatte der Verein erstmals zu Benefizveranstaltungen in Troisdorf bei Bonn und Frankfurt am Main eingeladen. Die Treffen wurden als Fußball-Benefiz Cups beworben. Nach Angaben des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz kamen zu dem Event in Frankfurt am Main rund 60 überwiegend junge Männer in einem Park zusammen. Der Polizei Frankfurt ist die Veranstaltung ebenfalls bekannt, sie will sich aber aus "ermittlungstaktischen Gründen" derzeit nicht weiter äußern. In der Vergangenheit ist es bei Benefiz-Veranstaltungen der salafistischen Szene zu Anwerbeversuchen junger Männer für den militanten Dschihad in Syrien gekommen. So sollen auch Kämpfer aus Deutschland für die Terrorarmee von ISIS auf diesem Weg rekrutiert worden sein. Die Ermittler halten sich beim Thema MoG auffällig bedeckt, scheinen sich aber der Dynamik, mit der der Verein seine Aktivitäten in letzter Zeit ausgebaut hat, bewusst zu sein. Die Hinweise auf Querverbindungen ins radikale Lager bieten jedenfalls einige Ansatzpunkte, die den Verdacht begründen, dass eine Diskrepanz zwischen der offiziell verkündeten humanitären Absicht des Vereins und der ideologischen Ausrichtung besteht. Möglicherweise sind diese Verbindungen nicht allen Akteuren voll bewusst. Die auf der MoG-Homepage genannte Vertreterin des Vereins hat auf Anfragen zu Querverbindungen ins radikale Lager nicht reagiert. Neben derartigen Fragen muss sich der Verein noch mit anderen unbequemen Fragen auseinandersetzen. Die international tätige Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ist wegen der Namensähnlichkeit hellhörig geworden. "Aus der Verbindung von ähnlichem Namen und ähnlicher Tätigkeit könnte sich eine Verwechslungsgefahr ergeben", erklärt Andreas Marggraf, Leiter Finanzen und Verwaltung des deutschen Ablegers. "Ein Gespräch über das Problem der Verwechslungsgefahr steht noch aus."
 tagesschau

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